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Meinung: Volle Dröhnung, viel zu früh

Die Aufklärung über Haschisch muss nüchtern bleiben

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Nun soll die grüne Gentechnik also auch die Kiffer als Klientel entdeckt haben: Genetisch manipulierte Hanfpflanzen, so tönten unlängst die „Tagesthemen“, enthielten sechsmal so viel Wirkstoff wie normales Marihuana. Das Frankenstein-Dope sei beim Dealer um die Ecke bereits gang und gäbe. Die Meldung verunsicherte sogar aufgeklärte Eltern aus der 68er-Generation, die bisher dachten, in Sachen Cannabis könnte ihnen niemand etwas vormachen. Während die Niederlande an ihrer liberalen Linie festhalten, Großbritannien seine Marihuana-Gesetze lockert und die Schweiz einen entsprechenden Gesetzentwurf diskutiert, entdecken deutsche Drogenschützer gerade eine drastisch unterschätzte Gefahr. Da fällt es selbst dem nüchternen Betrachter schwer, eine klare Linie zu erkennen – an den Konsumenten rauscht die widersprüchliche Aufklärung vorbei wie Jahrmarktslichter an einem Kettenkarussell.

Der deutsche Trend kommt nicht von ungefähr, sondern aus den USA. John P. Walters, Leiter des nationalen Büros für Drogenkontrolle im Weißen Haus, setzte die Legende in die Welt, das heutige Superkraut enthielte bis zu 30 Mal mehr Wirkstoff als das lasche Rauchwerk, mit dem sich die Woodstock-Generation „stoned“, „high“ oder „goofy“ machte. Der Hardliner im Kampf gegen Rauschgift, der sich selbst „Drogen-Zar“ nennt, wehrt sich gegen Bestrebungen liberaler US-Bundesstaaten, Cannabis zu entkriminalisieren und in bestimmten Fällen sogar als Medikament zuzulassen. Im Rausch seines Antidrogenfeldzuges verglich er kurzerhand einen der höchsten je gefundenen Werte – 30 Prozent Wirkstoff in einem Hasch-Öl – mit dem niedrigsten Wert von einem Prozent, unter dem Hanferzeugnisse in den USA nicht mehr als Droge gelten.

Tatsächlich hat sich der Gehalt an Tetrahydro-Cannabinol (THC), das für die Rauschwirkung verantwortlich ist, seit den 70er Jahren nur knapp verdoppelt. Sein Mittelwert in beschlagnahmten Cannabis-Drogen liegt heute bei rund fünf Prozent. Allerdings sagt das wenig, weil die THC-Konzentrationen von Cannabis-Produkten erheblich schwanken. Der „Schwarze Afghane“ war bereits zur Hippie-Zeit für seine durchschlagende Wirkung berüchtigt. Grund für die statistische Zunahme des THC-Gehalts ist nicht die Gentechnik – genmanipulierten Cannabis gibt es nicht –, sondern eine neue Anbaumethode: Die männlichen Pflanzen werden frühzeitig entfernt und nur unbestäubte, weibliche Pflanzen geerntet. Mit dieser „Sinsemilla-Technik“ (ohne Samen) lässt sich der THC-Gehalt auf das zwei- bis dreifache steigern. Allerdings wird hochprozentiger Sinsemilla-Stoff als Rarität gehandelt, in Deutschland ist er kaum erhältlich – und für die meisten Kiffer-Kids ohnehin unerschwinglich.

Die Gefahr geht nicht von veränderten Cannabis-Drogen, sondern vom Alter und Konsumverhalten der Betroffenen aus: Bereits in der Pubertät dröhnen sich Jugendliche täglich mit exzessiven Mengen zu, was zu schweren psychischen Entwicklungsstörungen führen und in Einzelfällen sogar Schizophrenien auslösen kann. Die Drogenaufklärung hat daher wichtige Aufgaben – sie sollte ihre Glaubwürdigkeit nicht durch horrende Übertreibungen verspielen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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