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Meinung: Vom Dollar abgelenkt

Von Carsten Brönstrup

Mehrere Dutzend Minister und Beamte, drei Tage vollgepackt mit Konferenzen und informellen Treffen, zwei komplett belegte Berliner Luxushotels, aber nur eine dünne Abschlusserklärung voller Allgemeinplätze – das ist die dürftige Bilanz des G20-Treffens in Berlin, das am Sonntag zu Ende gegangen ist. Dabei hatten sich gerade die Deutschen so viel erhofft von den Gesprächen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Sie boten die seltene Chance, gemeinsam den rapiden Verfall des Dollar-Wechselkurses zu stoppen. Schließlich ist diese Frage so wichtig wie kaum eine andere für die Konjunkturaussichten Deutschlands und Europas. Doch die Politiker haben es vorgezogen, über Steuerflucht zu debattieren, über Straßenbau in Südafrika und Privatisierungen in der Türkei. Ansonsten soll jeder das Seine tun, um das Risiko von Währungsschwankungen zu reduzieren, lautet der Ratschlag der Regierenden.

Für diese Erkenntnis hätte es eines so aufwändigen Treffens nicht bedurft. Offenbar hat es aber den Europäern an diplomatischem Geschick gefehlt, um den Amerikanern den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Mit den parallel steigenden Haushalts- und Handelsbilanzdefiziten könnten die USA den Dollar schlimmstenfalls so stark unter Druck setzen, dass eine weltweite Rezession die Folge wäre. Daran hat niemand ein Interesse. Zudem muss den Amerikanern klar sein, dass es zum Sparen keine Alternative gibt. Auch sie stehen bei der Gesundheit vor schmerzhaften Reformprogrammen, auch ihnen droht ein teures Problem mit der Alterung der Gesellschaft. Als die Europäer vor einigen Jahren vor diesen Herausforderungen standen, haben die USA sie mit Erfolg zu Veränderungen gedrängt. Jetzt, wo die Amerikaner selbst handeln müssen, konnten sie geschickt davon ablenken.

Die Europäer haben am Wochenende die Chance vertan, ihre Wirtschaftsaussichten für 2005 aufzubessern. Sie hätten den USA klar machen müssen, dass deren Defizitpolitik nur funktioniert, weil europäische Anleger Tag für Tag ihr Geld bei Uncle Sam investieren. Und dass ein weiterer Absturz des Dollar die Europäer um die Früchte ihrer Wirtschaftsreformen bringen würde. Soll der nächste G-20-Gipfel bessere Ergebnisse bringen, müssen die Europäer mit mehr Selbstbewusstsein anreisen.

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