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Meinung: Vom Ende zum Anfang

Von Tissy Bruns

Wenn Andrea Nahles, die führende Parteilinke, und Wolfgang Clement, der entschiedene Reformer, zum gleichen Urteil kommen, dann muss es sich um eine echte Integrationsleistung handeln oder einen faulen Kompromiss. So einig wie über ihr neues Wahlprogramm war die SPD schon lange nicht mehr. Für die KompromissErklärung spricht, dass dieses Wahlmanifest ein Programm für die Opposition ist; im Ernstfall würde Clement die Reichensteuer härter bekämpfen, und von Nahles wäre ein so klares Bekenntnis zu Schröders Reformkurs kaum zu hören. Doch andererseits: In dieser Lage sind Kompromisse weniger nötig als in der Regierungsverantwortung. Wie gründlich die SPD Positionen aus Kanzlerzeiten abräumen kann, hat sie nach Helmut Schmidt bewiesen.

Zählt und wägt und misst man, dann ist das Programm eigentlich erstaunlich. Denn das Leiden der Genossen an Schröders Agenda war, zuletzt in Nordrhein-Westfalen, sehr viel größer als die Zugeständnisse, die nun in Richtung Parteilinke im Manifest gemacht werden. Die Agenda wird ergänzt und gemildert, dementiert wird sie nicht.

Diese SPD ist weit entfernt von der, die 1998 kurz entschlossen die Mini-Reformen Kohls als soziale Grausamkeiten gebrandmarkt und rückgängig gemacht hat. Und ziemlich nah an der vom Bochumer Parteitag, der im November 2003 stattfand. Schon von diesem Parteitag kamen die Signale, hohe Einkommen höher zu belasten, bei Erbschaften und für die Bürgerversicherung. Hätte der damalige Parteivorsitzende Schröder nicht die Disziplinierungsmittel der Macht einsetzen können – bei ehrlicher Abstimmung wäre seine Agenda gescheitert. Die Wahrheit, dass in der SPD nie Mehrheiten überzeugt hinter den Reformen gestanden haben, zwang Schröder zum Verzicht, erst auf den Parteivorsitz, dann auf das Kanzleramt.

Wahr ist aber auch, dass dieser letzte Schritt zugleich der erste leidenschaftliche Versuch Schröders ist, um die SPD zu kämpfen. Nur um die SPD, ihre Selbstachtung und Glaubwürdigkeit, geht es Schröder und Clement und Nahles mit diesem Programm und dem Bekenntnis: Wir machen keine Rolle rückwärts. Die neue Linkspartei ist dabei der unfreiwillige Geburtshelfer. So weit wie mit diesem Programm hat sich die SPD noch nie von ihrer Sehnsucht entfernt, es könne doch alles wieder werden wie früher.

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