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Vom Wesen der Demokratie: Keine Kindergartenplätze für Nachfahren von Schwerkriminellen?

Der Kampf gegen den Rechtsradikalismus ist nicht dadurch zu gewinnen, indem man Kindern von Neonazis Winterkleidung verweigert. In dieser Hinsicht liegen Thilo Sarrazin und die Linkspartei ziemlich nah beieinander.

Weihnachten naht, das Fest der Familie. Als der Streit um Stuttgart 21 auf dem Höhepunkt war, vor dem Erscheinen von Heiner Geißler, kam ein CDU-Politiker auf eine Idee. Der Politiker warf der Galionsfigur der Bahnhofsgegner, dem Schauspieler Walter Sittler, seinen verstorbenen Vater vor. Der Vater war Nazi. Der Vorwurf wurde in seiner Skrupellosigkeit durchschaut, der Politiker musste sich entschuldigen.

Vor ein paar Tagen passierte etwas Vergleichbares, allerdings in der anderen politischen Ecke. In eine Familie in Mecklenburg-Vorpommern kam das siebte Kind zur Welt, die Eltern sind offenbar Rechtsradikale. Normalerweise übernimmt in solchen Fällen der Bundespräsident die Patenschaft und es gibt ein Geldgeschenk, 500 Euro. Diesmal aber weigerte sich der Bürgermeister, Linkspartei, das Geschenk zu überreichen. Das ist erstaunlich, bei einer Partei, die Gleichheit und Gerechtigkeit doch immerhin theoretisch gut findet. Alle haben gleiche Rechte, oder etwa nicht? Soll ein Kind schlechter behandelt werden als ein anderes, weil seine Eltern verwerfliche Auffassungen haben? Und wenn man anfängt, so zu denken, wo hört man dann auf? Keine Kindergartenplätze mehr für die Nachfahren von Schwerkriminellen? Berufsverbote für den Architekten Albert Speer und den Autor Ferdinand von Schirach?

Das Geld wurde überwiesen, vom Präsidialamt. Einerseits befindet sich der Bürgermeister auf der Linie der DDR, wo es den Kindern von Oppositionellen meist unmöglich gemacht wurde, zu studieren. Auf der anderen Seite, und das ist der ironische Aspekt dieser Geschichte, argumentiert der linke Bürgermeister ähnlich wie Thilo Sarrazin. In den angreifbarsten Passagen seines Buches plädiert Sarrazin ja dafür, die Vermehrungsquote von Akademikerinnen zu erhöhen, indem man ihnen hohe Geburtsprämien zahlt. Frauen ohne Abitur kriegen die Prämie nicht. Er ist der Ansicht, dass Deutschland sich abschafft, weil die falschen Leute Kinder kriegen. In dieser Hinsicht sind Thilo Sarrazin und die Linkspartei sehr nahe beieinander.

Ich habe keine Ahnung, in welchem Umfang Intelligenz sich vererbt. Aber es ist ziemlich sicher, dass politische Auffassungen sich nicht vererben. Der Kampf gegen den Rechtsradikalismus ist also nicht dadurch zu gewinnen, indem man den Kindern der Neonazis die Winterkleidung und die Schulspeisung verweigert. Und Meinungen sollten sowieso nicht bestraft werden, auch wenn sie noch so unappetitlich sind, bestraft werden sollten nur Taten, und dann auch nur bei den Tätern, nicht bei ihren Familienmitgliedern. Dies scheint mir der Kern jedweder Demokratie zu sein, die nur dann ihren Namen verdient, wenn sie auch für unerfreuliche und extreme Meinungen gilt.

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