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Von Gaddafi zu Putin: Legal, illegal, uns egal

Willkür und fehlende Rechtsstaatlichkeit: Libyen und Russland werden von der EU sehr sanft angefasst.

Was passiert, wenn man sich zu weit auf Länder einlässt, für die ein Gerichtsverfahren in erster Linie ein nationalneurotisches Schauspiel ist, sieht man an Libyen: Nach acht langen Jahren wurden dort fünf bulgarische Krankenschwestern freigelassen, die angeblich einmal gestanden hatten, 400 Kinder mit HIV infiziert zu haben. Die Zahl klingt so willkürlich wie das gesamte Verfahren. Dass die Frauen nun freigekauft wurden, mit libyschem Geld, wie die EU behauptet, macht noch einmal deutlich, wie absurd der Fall war. Dass die EU bei Libyen sich so devot verhält, dass der französische Präsident Sarkozy dem Revolutionsführer Gaddafi sogar einen Besuch versprochen hat, geschenkt – Hauptsache, die Krankenschwestern haben ihre Tortur hinter sich.

Rechtsstaatlichkeit jedoch sieht anders aus. Und bei anderen, bisher international anerkannteren Ländern, wie zum Beispiel Russland, sollte die EU sich nicht auf solche schäbigen Deals einlassen. Der Mordfall Litwinenko, der das britisch-russische Verhältnis belastet, gehört rechtsstaatlich aufgeklärt – und der Versuch des britischen Premier Gordon Brown, diesen Anspruch zu untermauern, ist vollkommen angemessen. Die Ausweisung von vier russischen Diplomaten ist Ausdruck dieses Anspruchs.

Dass die Russen sich weigern, den Verdächtigen Andrej Lugowoi nach London auszuliefern, solange nicht im Gegenzug Boris Beresowski nach Moskau ausgeliefert wird, macht deutlich, wie libysch ihr Rechtsverständnis ist. Beide Fälle haben nichts miteinander gemein. Auch der Hinweis, die russische Verfassung erlaube es nicht, Staatsbürger auszuliefern, ist kaum überzeugend. Erlaubt es etwa die russische Verfassung, dass Russen britische Staatsbürger mit Polonium hinrichten? Denn um diesen Verdacht geht es und um die Aufklärung eines Mordfalls, der angesichts des hochgefährlichen Mordinstruments eine Gefahr für Hunderte von Menschen in Europa dargestellt hat. Dass Brown sich noch weigert, Putin wie Gaddafi zu behandeln, sollte der Russe eigentlich als Kompliment auffassen.

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