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Rumänen demonstrieren gegen die Absetzung von Präsident Traian Basescu.

© Reuters

Von Rumänien bis Griechenland: Die Europäer mögen keine Belehrungen

Gegenseitige Belehrungen darüber, was politisch gut und richtig ist, bringen Europa nicht weiter. Im Gegenteil: Die Regierungen lösen damit Reflexe aus, die an die nationale Seele gehen.

Vor knapp zwölf Jahren erfanden 14 Staatschefs aus der Europäischen Union etwas Neues: Sie belegten ein demokratisches Mitgliedsland mit Strafmaßnahmen wegen politischen Fehlverhaltens. Damals traf es Österreich, dessen Christdemokraten der Versuchung nicht widerstanden, die Rechtspopulisten von Jörg Haider an der Regierung zu beteiligen. Um diesen Schritt zu ächten, froren die übrigen EU-Länder ihre bilateralen Kontakte zur Wiener Regierung ein. Selbst Österreichs Botschafter durften in Europas Hauptstädten nur noch auf „technischer Ebene“ empfangen werden. Nach neun Monaten scheiterten die Staats- und Regierungschefs von Chirac bis Schröder mit ihrer Isolationspolitik auf ganzer Linie. Am Ende waren nicht sie gestärkt, sondern Haider und Konsorten hatten einen Punktsieg errungen.

Europas Völker mögen es nicht, wenn sie von anderen Völkern belehrt werden – und schon gar nicht, wenn sich diese in Gestalt ihrer Regierungschefs äußern. Das könnte die Lehre aus dem damaligen Sanktionsregime sein. Insofern ist es ein Spiel mit dem Feuer, wenn Angela Merkel sich nun in die rumänische Innenpolitik einmischt. Ja, Europa soll ein Raum der Demokratie sein – aber muss es auch ein Hort des Misstrauens sein?

Möglicherweise werden die Rumänen ganz gut selbst damit fertig, dass sich Regierungschef und Staatspräsident ein Gefecht liefern, in dem offenbar nicht nur mit rechten Mitteln gekämpft wird. Ende des Monats werden sie in einer Volksabstimmung Gelegenheit dazu haben, die Dinge zu ordnen.

Wir wünschen uns Europa perfekt, schuldenfrei, demokratisch, mit Respekt vor Minderheiten, der Welt zugewandt. Aber spätestens seit den griechischen Euro-Tricksereien und der nationalistischen Revisionspolitik von Viktor Orban in Ungarn wissen wir: So ist Europa nicht. Europa ist krumm. Europa ist vielfältig, auch im Verständnis dessen, was politisch hinnehmbar ist und was nicht.

Die Frage ist nicht, was wir gern hätten.

Die Frage ist nicht, was wir gern hätten. Die Frage ist, wie sich besseres Regieren erreichen lässt. Im Zweifel werden Belehrungen von außen immer dazu führen, dass sich die Bevölkerung mit ihren von außen angegriffenen Politikern solidarisiert. Europas Regierungen können sich untereinander schonungslos kritisieren – es ist aber wenig gewonnen, wenn sie dies in der Öffentlichkeit tun. Europas Bürger sollen sich über den Wert von Menschenrechten oder die richtige Wirtschaftspolitik hemmungslos streiten. Damit sie dies können, ist manchmal ein mehr und nicht ein weniger an Integration notwendig. Doch einen Unterschied macht es, wenn sich der Regierungschef eines anderen Landes mit der vollen Autorität seines Amtes zum Richter aufschwingt. Dies löst Reflexe aus, die an die nationale Seele gehen, selbst wenn dies aus der Zeit gefallen wirkt.

Und auch der gemeinsame Schulterschluss ist nicht frei von Risiken. Vor der Wahl in Frankreich ließ sich Nicolas Sarkozy stolz mit Angela Merkel im Elysée-Palast interviewen. Dass ihm das zu Hause Sympathiepunkte einbrachte, ist nicht bekannt.

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