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Meinung: Vor Gericht mit ihm

Von Malte Lehming

Wer will, kann aus diesem Furz einen Fackelzug machen. Der Irak soll ab dem 30. Juni wieder souverän sein, versprechen die Amerikaner. Was aber wird aus Saddam Hussein? Da stottern sie plötzlich. Nur die juristische Verantwortung soll den Irakern übertragen werden, doch „physisch“ könnte der ExDiktator noch einige Zeit im Gewahrsam des US-Militärs bleiben. Anklage wird freilich nicht gegen ihn erhoben. Ertappt!, rufen da die Rechtmeinenden und verweisen auf die Genfer Konvention. Die schreibt vor, dass Kriegsgefangene nach Ende von Krieg und Besatzung entweder freigelassen oder angeklagt gehören. Armer Hussein! Setzen die Amerikaner an dir fort, was sie in Guantanamo begannen und in Abu Ghraib vollendeten?

Nun mal halblang! Souveränität hin, Genfer Konvention her: Keiner kann wollen, dass Saddams Husseins Schicksal mit dem Machttransfer in unsichere Bahnen gerät. Die Frage zu stellen, ob die neue irakische Übergangsregierung gewährleisten kann, dass der Ex-Diktator weiter hinter eisenharten Gittern bleibt, ist legitim. Auch rechtlich lässt sich über den Fall streiten. Das Ende der Besatzungshoheit bedeutet nicht automatisch das Ende des Krieges. Trotz Machttransfers werden die Anschläge und Kämpfe weitergehen. Also kann es auch weiterhin Kriegsgefangene geben. Manchmal versperrt zu viel Juristerei den Blick auf die Realität.

Zu wenig Juristerei allerdings rächt sich oft. Denn spektakulär dürfte das Hussein-Tribunal schon wegen einer zeitlichen Koinzidenz werden. Es fällt mit den Verfahren zur Folteraffäre zusammen. Damit kein Missverständnis entsteht: Was in Abu Ghraib geschah, lässt sich nicht mit den Verbrechen Saddams vergleichen. Doch von Nürnberg über Ruanda bis Jugoslawien galt – auf amerikanische Initiative hin – stets ein Grundsatz: Politiker und Militärs können für Verbrechen bestraft werden, die sie nicht ausdrücklich angeordnet haben. Es reicht, dass sie die Kontrolle über die Missetäter hatten und von deren Verbrechen wussten. Von Saddam Hussein existiert vielleicht kein Führerbefehl. Trotzdem wird man ihn zur Rechenschaft ziehen. In der Folteraffäre wiederum sind Memoranden aufgetaucht, die bis ins Pentagon und ins Weiße Haus reichen. Akzeptiert die Bush-Regierung auch für sich jene Standards, die sie selbst im internationalen Recht gesetzt hat? Diese Frage wird aus Bagdad bis nach Washington dringen. Auf die Antwort darf man gespannt sein.

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