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Meinung: Vorteil Bush

In seiner Partei ist der US-Präsident der Star – deshalb kann er sich moderat geben

Schüchtern war er nicht. Die amerikanische Außenpolitik hat er revolutioniert, neutraler ausgedrückt: auf den Kopf gestellt. Das begann noch vor dem 11. September 2001. Ob ABMVertrag, Kyoto-Protokoll oder Internationaler Strafgerichtshof: George W. Bush brach mit allen Kontinuitäten. Die Terroranschläge verstärkten den Trend. Das über Jahrzehnte geflochtene Netz aus UN, Nato und Verpflichtungen gegenüber Partnern wurde zerrissen. Stattdessen stützte sich die US-Regierung auf eine „Koalition der Willigen“. Der Irakkrieg markierte den Durchbruch einer neokonservativen Ideologie.

In der Innenpolitik ging Bush kaum weniger radikal vor. Mit drei voluminösen Steuersenkungen bediente er seine Klientel. Auch die Sozialkonservativen frohlockten über den neuen Rigorismus. In Sachen Abtreibung, Homo-Ehe und Stammzellenforschung schlug sich der US-Präsident, ein tief gläubiger Mann, ganz auf ihre Seite. Da gab es kein Zögern und Zaudern. Kompromisse liegen der Truppe im Weißen Haus nicht.

An diesem Montag beginnen in New York die „Conventions“ der Republikaner. Die Partei steht geschlossen hinter Bush. Ihm gebührt das Verdienst, die Bedürfnisse fast aller Fraktionen erfüllt zu haben. Einen Rivalen musste er nie fürchten. Das ist, historisch betrachtet, ein gewaltiges Plus. Seit mehr als einem halben Jahrhundert gilt in den USA die Regel: Amtsinhaber ohne parteiinterne Widersacher werden wiedergewählt – siehe Eisenhower, Nixon, Reagan und Clinton. Die anderen verlieren die Wahl – siehe Ford, Carter und Bush senior.

Innerhalb seiner Partei ist Bush inzwischen der unangefochtene Star. Das vergrößert seinen politischen Spielraum. In den ersten vier Jahren musste er stets darauf bedacht sein, die Tonlage der konservativen Basis zu treffen. Bei allem, was er tat, musste er bedenken, wie es sich auf seine Wiederwahlchancen auswirkt. Sollte er am 2. November tatsächlich im Amt bestätigt werden, darf er dieses Kalkül in den kommenden vier Jahren außer Acht lassen.

Bush will am Donnerstag eine programmatische Rede halten mit „Details und Visionen“. Gut möglich, dass er sich plötzlich sanft gibt wie ein Lamm. Pragmatisch, moderat und mitfühlend. Der Schwenk wäre einerseits taktisch motiviert, da nur in der Mitte noch Wählerstimmen zu erobern sind. Aber er könnte auch den Beginn einer realen inhaltlichen Wende bedeuten. Bush war schon oft für Überraschungen gut. Er hat Werte, ist aber kein Überzeugungstäter. Und er weiß, wie reformbedürftig etwa die Krankenversicherung ist. Die Demokraten mussten auf ihrem Parteitag vor fünf Wochen zeigen, dass sie nicht nur lieb, sondern auch stark sind. Für die Republikaner in New York gilt die umgekehrte Losung.

Eine Mehrheit der Amerikaner meint inzwischen, der Irakkrieg sei falsch gewesen. Wird Bush deshalb abgewählt? Die Stimmungslage ist komplizierter. In Zeiten des Terrors, das würden die meisten Amerikaner konzedieren, soll ihr Land lieber einen Krieg zu viel als einen zu wenig führen. Im Eifer des Gefechts, ausgelöst durch die Anschläge vom 11. September, mag die Bush-Regierung mitunter über die Stränge geschlagen haben. Dabei wurden Fehler gemacht. Sind sie unverzeihbar? Das wären sie nur, wenn sie aus böser Absicht begangen worden wären. Das indes wirft der Regierung nur eine kleine Minderheit vor.

Bush muss kämpfen. Amerikas Wähler sind so gespalten wie polarisiert. Die wenigen Unentschiedenen, um die jetzt inständig gebuhlt wird, haben Einiges am Präsidenten auszusetzen, werden aber mit John Kerry, dem Herausforderer, nicht warm. Wenn es Bush in New York gelingt, die Vorwürfe der Opposition nicht neu zu nähren und gleichzeitig den Blick in eine hoffnungsfrohere Zukunft zu eröffnen, hat er eine gute Chance. Verlieren wird er nur, falls eine Mehrheit der Amerikaner zu dem Schluss kommt, ihn für seine Leistungen bestrafen zu müssen.

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