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Meinung: „Vorurteile musst du ignorieren!“

Sie hat sauertöpfische Feministinnen genauso gegen sich aufgebracht wie hartgesottene Kultur-Machos. Das ist schon ein Kunststück.

Sie hat sauertöpfische Feministinnen genauso gegen sich aufgebracht wie hartgesottene Kultur-Machos. Das ist schon ein Kunststück. Und komischerweise begann es vor einem Jahrzehnt mit ihrem Stück „Kunst“. Die bis dahin fast nur Theater-Insidern bekannte Pariser Autorin Yasmina Reza landete mit ihrer von einem vollkommen weißen Gemälde und drei männlichen Kunst- und Nichtkunstliebhabern erzählenden Komödie einen Welterfolg. Doch weil das aparte Gesicht der dunkelhaarigen, heute 47-jährigen Schriftstellerin und gelernten Schauspielerin nun auch in Hochglanzmagazinen auftauchte, nahmen ihr etliche Theaterleute und Kritiker Aussehen und Ansehen gleichermaßen übel.

Mochte in Berlin das Publikum über die fabelhafte „Kunst“-Aufführung an der Schaubühne in über 200 ausverkauften Vorstellungen auch noch so begeistert sein: Hinter den Kulissen wurde gegen Rezas Erfolg gegiftet. Obwohl ihr Stück nur zum ironischen Schein vom Kulturbetrieb handelte und in Wahrheit von fragilen (und abgründig infantilen) Männerfreundschaften erzählte, hieß es, sie schüre populistische Ressentiments gegen abstrakte, moderne Kunst. Überhaupt sei Reza nur ein Fall für den Boulevard – und ein Sündenfall für das hehre Subventionstheater.

Das Vorurteil hängt ihr noch immer an, vor allem in Frankreich. Trifft man Yasmina Reza in einem Pariser Café, dann lacht die zarte, selbstbewusst bescheidene Frau: „Vorurteile musst Du ignorieren!“ Im deutschsprachigen Raum hat sich die Stimmung bereits gedreht, zumindest wenn Regisseure wie Luc Bondy sie am Wiener Burgtheater oder Jürgen Gosch jetzt im Deutschen Theater Berlin inszenieren. Heute ist die aus einer jüdisch-iranisch-russischen Familie stammende Französin die meistgespielte Dramatikerin der Gegenwart und hat sich mit Novellen und Romanen auch als ebenso geistvolle wie unterhaltsame Erzählerin erwiesen. Denn das ist das Besondere: Yasmina Reza gewinnt den Melancholien ihrer Figuren, ihren Verrücktheiten und der tieferen „Verzweiflung“ (so heißt ein Roman) jedesmal eine wunderbare Komik ab. Wenn heute Abend im Deutschen Theater Rezas wechselnde Monologe „Im Schlitten Arthur Schopenhauers“ Premiere haben und Spieler wie Corinna Harfouch und Ulrich Matthes agieren, dann hofft man wieder, dass philosophische Depressionen zu komödiantischen Sensationen werden. Etwas Tschechow + Beckett + Bernhard = Reza.

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