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Meinung: Vorwand Israel

Im Irankonflikt geht es nicht um den Schutz des jüdischen Staates Von Tobias Kaufmann

Israel hat viele Freunde in diesen Tagen. Nicht einmal vier Jahre ist es her, dass beinahe die gesamte deutsche Politik wegen der Militäraktion im Palästinenserdorf Dschenin über Israel herfiel und vollmundig ein Ende des angeblichen Schweigens aus historischen Gründen ankündigte. Heute ist dagegen wieder viel die Rede von der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Staat, etwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz oder bei Angela Merkels Besuch in Israel. Die Drohungen aus Iran haben die Perspektiven verschoben.

Böse könnte man sagen: Je bedrohter Israel ist, desto beliebter wird es in Deutschland – es sei denn, es wehrt sich. Dazu passt, dass Israels Existenzrecht vor allem unter jenen Politikern hervorgehoben wird, die sich rhetorisch an die bittere Erkenntnis heranrobben, dass die iranische Atombombe vielleicht nur mit Gewalt verhindert werden kann. Schon im Golfkrieg 1991 reichte in Deutschland der Hinweis, dass der Irak ein UN-Mitglied – den souveränen Staat Kuwait – überfallen hatte, nicht aus, um das Eintreten für militärische Gewalt moralisch zu unterfüttern. Hinweise auf die Bedrohung Israels durch irakische Scud-Raketen durften deshalb nicht fehlen.

Heute gilt dieselbe Regel. Alle diplomatischen Bemühungen, Iran vom Streben nach der Bombe abzubringen, sind – bisher jedenfalls – grandios gescheitert. Auch der heimliche Wunschtraum wird kaum in Erfüllung gehen, dass die USA allein oder gar Israel mit seinem in einer Mischung aus Abscheu und Bewunderung weit überschätzten Militärpotenzial den Mullahs Einhalt gebieten. Iran wird sich nur stoppen lassen, wenn der Westen, Russland und China gemeinsam handeln, egal ob diplomatisch, durch Sanktionen oder militärisch.

Dafür werden wir einen Preis zahlen müssen, bestenfalls nur einen ökonomischen. Wer aber „militärische Optionen“ – auf Deutsch: Krieg – nicht ausschließt, kann auch nicht ausschließen, dass dabei Soldaten sterben. Solche Opfer rechtfertigt man in Deutschland offenbar am besten, wenn man die Bedrohung Israels herausstellt.

So sehr sich die Israelis über Solidarität freuen – das Argument ist riskant. Denn diejenigen, die Irans Pläne verharmlosen oder rechtfertigen, instrumentalisieren den jüdischen Staat ebenfalls für ihre eigene Agenda. Hat nicht auch Israel die Atombombe? Wer kann es da Iran verdenken, sich zu wappnen? Tenor: Israel, der hilfsbereite Giftzwerg des bösen Riesen USA, hat den Streit angefangen und ist an allem schuld.

Diese Projektion wird auch durch die Rhetorik vom Schutz für Israel geschürt, selbst wenn sie gut gemeint ist. Dass es sich tatsächlich nur um Rhetorik handelt, erkennt man daran, dass Deutschland die Gelegenheiten nonchalant verstreichen ließ, etwa 1967 und 1973 Israel zu helfen.

Es ist beängstigend, dass ein Regime Atombomben entwickelt, das über Langstreckenraketen und über genügend Fanatiker verfügt, die sich nach dem Jenseits sehnen. Das beinahe weltweite Interesse, dies zu verhindern, ist legitim. Niemand aber sollte sich hinter dem Vorwand verstecken, damit Israel helfen zu müssen.

Der Autor ist Redakteur der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“

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