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Meinung: Wachstum allein tilgt keine Schulden

Die EU-Kommission befürchtet ein dauerhaftes Defizit in Deutschland – aus gutem Grund

Von Carsten Brönstrup

Wartet nur ab, beschwören uns der Bundeskanzler und sein Finanzminister seit beinahe drei Jahren. Wenn erst der Aufschwung kommt, wird Deutschland die europäischen Schuldenregeln wieder locker einhalten können. Wir brauchen nur ein wenig Wachstum, versprechen uns Gerhard Schröder und Hans Eichel immerzu – und schon ist das einstige Musterland in Sachen Finanzpolitik den Makel los, mit seiner Neuverschuldung die Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung überschritten zu haben.

Seit gestern wissen wir, dass die Beschwörungen der Bundesregierung wertlos sind – und wir auf die Wende zum Guten noch eine ganze Weile länger warten müssen. Denn Deutschland wird nicht nur im kommenden Jahr den Maastrichter Stabilitätspakt verletzen und mehr Schulden machen als erlaubt, sondern auch im Jahr darauf – so prognostiziert es die Brüsseler EU-Kommission. Und das, obwohl 2004 der ersehnte Aufschwung kommen und die deutsche Wirtschaft um 1,6 Prozent wachsen soll. Das Wachstum kommt, aber die Schulden bleiben.

1,6 Prozent sind nach drei Jahren der Stagnation zwar eine Menge. Aber immer noch zu wenig, um Deutschlands Probleme zu lösen. Erstens, weil es hier zu Lande erst dann neue Jobs gibt, wenn die Kunden den Unternehmen neue Waren förmlich aus den Händen reißen. Ein solcher Boom dürfte sich aber erst gegen Ende 2004 einstellen. Zweitens, und das ist viel wichtiger, ist nicht die schwache Konjunktur das Problem des deutschen Fiskus. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen geben auch in sonnigen Zeiten zu viel Geld aus – so geschehen im Jahr 2000, als die Wirtschaft kräftig wuchs, das deutsche Defizit aber trotzdem bei 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag. Wofür der Staat so viel Geld verpulvert, ist bekannt – für Subventionen und für das, was die Politiker soziale Gerechtigkeit nennen.

Zu soliderem Haushalten wird der Staat erst zurückkehren, wenn SPD und Grüne ihre Reformen ohne Abstriche durch den Bundesrat bringen – sagt die EU. Weil das eher unwahrscheinlich ist, werden Gerhard Schröder und sein Finanzminister schon früh im neuen Jahr über die nächsten Reformen sinnieren müssen, sollen ihre Beschwörungen von der Rückkehr zur soliden Finanzpolitik nicht Makulatur werden.

Wenn die beiden Glück haben, kommt ihnen die Konjunktur ein wenig zu Hilfe. Denn immerhin ist die Vorhersage der EU-Kommission so unsicher, wie es Wirtschaftsprognosen nun einmal sind. Vom Export gehen vielversprechende Signale aus, deutsche Erzeugnisse sind nach wie vor gefragt in der Welt; nicht nur in Amerika, sondern auch im aufstrebenden Osteuropa. Zudem bessert sich die Stimmung der Firmen von Tag zu Tag, wie die Zahlen des Ifo-Geschäftsklimas zeigen. Sollte sich der Aufschwung festigen, muss es ab Mitte kommenden Jahres nicht bei dem prognostizierten mickrigen Wachstum bleiben – es kann auch alles besser werden .

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