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Meinung: Wahl und Widerstand Von Clemens Wergin

Die Terroristen im Irak haben ihre Jahresendoffensive gestartet. Am Montag starben über 60 Iraker bei Anschlägen in Nadschaf und Kerbela, den heiligen Städten der Schiiten.

Die Terroristen im Irak haben ihre Jahresendoffensive gestartet. Am Montag starben über 60 Iraker bei Anschlägen in Nadschaf und Kerbela, den heiligen Städten der Schiiten. Am Dienstag riss eine Rakete auf eine USMilitärbasis in Mossul 24 Menschen in den Tod, davon 19 amerikanische Soldaten. Offenbar hatte selbst die Einnahme von Falludscha im sunnitischen Dreieck keine großen Auswirkungen auf die Operationsfähigkeit der Terroristen. Der Kampf geht mit unverminderter Grausamkeit weiter – selbst wenn jetzt wenigstens die zwei französischen Journalisten freikamen, die seit Monaten gefangen gehalten wurden.

Es ist schwer zu sagen, was die Terroristen mehr hassen: Die amerikanische Militärpräsenz im Irak oder die Tatsache, dass die Iraker bald zum ersten Mal frei über ihr eigenes Schicksal entscheiden sollen. Denn mit den Attacken wollen die Aufständischen offenbar die für den 30. Januar angesetzten Wahlen sabotieren. Und so werden wir bis dahin eher noch mehr Gewalt und Terror im Irak sehen als weniger. Nach der Präsidentschaftswahl kehrt nun auch in Washington mehr Realismus ein, was die Lage im Irak anbelangt. Gerade hat George W. Bush zugegeben, dass die etwa 114 000 Rekruten der irakischen Armee noch nicht in der Lage sind, effektiv für Sicherheit in ihrem Land zu sorgen. Und Außenminister Colin Powell hat eingeräumt, dass sich die Sicherheitslage auch nach den Wahlen nicht maßgeblich verbessern wird und amerikanische Soldaten über das ganze Jahr 2005 hinweg in „erheblicher Anzahl“ im Irak werden bleiben müssen.

Jetzt wählen oder den Termin verschieben, diese Diskussion flammt auch unter irakischen Politikern wieder auf. Verschieben hieße, dem Druck der Terroristen nachzugeben, ohne Gewähr, dass die Lage später besser sein wird. Dafür spricht, dass Premierminister Ijad Allawi vielleicht noch mehr Zeit braucht, um kompromissbereite sunnitische Gruppen dazu zu bewegen, sich an der Wahl zu beteiligen. Denn deren Widerstand wird nicht nur von extremistischen Islamisten oder saddamtreuen Saboteuren getragen. Manche Sunniten beteiligen sich daran, weil sie das Gefühl haben, dass Kurden und Schiiten die Macht allein unter sich aufteilen wollen. Allawi tut viel, um die zu überzeugen, die vielleicht noch ins demokratische Boot zu holen sind. Ob er dafür mehr Zeit braucht, kann nur er selbst entscheiden.

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