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Wahlkampf: Kleine Hunde kläffen laut

Die CSU streitet mit der CDU: Was früher perfekt inszeniert wurde, zeugt heute von Schwäche.

Von Robert Birnbaum

Die Panik muss groß sein in München. Wie anders soll man die jüngsten Nachrichten aus dem bayerischen Vorwahlkampf deuten? Die CSU – in Gestalt ihrer Jugend- und Arbeitnehmerorganisation – veranstaltet eine Unterschriftenaktion für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale. Der CSU-Vorsitzende unterstützt, der Ministerpräsident flankiert die Kampagne. Der Feind, dem das Getöse gilt, sitzt in Berlin. Es ist die eigene Kanzlerin.

Nun ist derlei in der langen Geschichte der christdemokratisch- christsozialen Geschwisterkriege eigentlich eine vertraute Konstellation. Von Franz Josef Strauß bis Edmund Stoiber hat noch jeder CSU-Spitzenmann in der CDU den einzig satisfaktionsfähigen Gegner gesehen. Der heldenhafte Kampf gegen die Bonner, später die Berliner war ein probates Mittel, die CSU größer erscheinen zu lassen, als sie ist. Der Anti-Preußen-Affekt war zugleich ein probates Mittel, um die Bayern hinter ihre Anführer zu scharen. Die CDU ihrerseits fand das ewige Bekämpftwerden offiziell etwas lästig, wusste aber heimlich ganz gut, dass der bajuwarische Theaterdonner im Sinne der gemeinsamen Sache lag: ohne starke CSU keine bundesweite Mehrheit für die Union.

Wenn das Tandem Huber/Beckstein jetzt Angela Merkel unter Feuer nimmt, folgt das also alter Tradition. Übersehen haben sie in München allerdings, dass das Instrument ihres Widerstands ebenfalls eine Tradition hat. Erinnern wir uns: Als der seinerzeit noch unbekannte Roland Koch einmal verzweifelt auf der Suche nach einem Wahlkampfhit war, hat ihm Wolfgang Schäuble, damals CDU-Chef, einen guten Tipp gegeben. Die hessische Unterschriftenkampagne gegen den Doppel-Pass katapultierte Koch ins Ministerpräsidentenamt. Seither haben viele versucht, den Trick zu kopieren. Gelungen ist es keinem. Sowohl dem Koch’schen Original als auch den Nachahmern war jedoch eins gemeinsam: Die Unterschriftenkampagne ist das Instrument der Opposition gegen die Regierung, das Mittel der Schwachen gegen die Starken.

Deshalb haftet dem bayerischen Einfall eine Doppelbotschaft an. Einerseits mag er ja sogar dazu beitragen, die Solidarität zwischen den Bayern und ihrer Staatspartei neu zu festigen. Andererseits offenbart er Schwäche. Eine CSU-Führung muss ihr eigenes Volk zu Hilfe rufen? Weil sie nicht zwei Manns genug ist, sich bei der großen Schwester durchzusetzen? Das ist ein, sagen wir, ziemlich gewöhnungsbedürftiger Anblick.

Nein, diese Unterschriftenkampagne ist kein Symbol der Stärke. Und Erwin Huber und Günther Beckstein wissen das im Grunde selbst. Man hört es an dem Tonfall, in dem beide neuerdings öffentlich über Merkel reden. Er enthält zu viel hilflosen Zorn, um nur taktisch gemeint zu sein. Ein Gemütszustand, der noch einmal fatale Folgen für die ganze Union haben kann. Das Gefühl der eigenen Ohnmacht vergessen auch Polit-Profis nicht so schnell. In einem guten Jahr braucht Merkel Rückenwind aus Bayern. Zwischen zusammengebissenen Zähnen kommt aber nur ein Lüftchen durch.

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