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Meinung: Warten bis zur vorletzten Minute

Die Parteien streiten um die Nachfolge von Johannes Rau

Das Karussell dreht sich weiter. Gleich drei Neuigkeiten zur Nachfolge von Johannes Rau: Edmund Stoiber will „definitiv“ nicht ins Bellevue, Roland Koch sieht Wolfgang Schäuble als den geeignetsten Kandidaten, und Guido Westerwelle versucht, Koch zu bremsen.

Bei Stoiber muss man vorsichtig sein. „Definitiv“ hatte er auch eine Kanzlerkandidatur 2002 ausgeschlossen. Er trat dann doch an. Dass er wieder zaudert, ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Aus Erfahrung weiß man immerhin: „Definitive“ Festlegungen des CSU-Chefs sind nicht definitiv. Koch wirbt für Schäuble, Westerwelle tritt ihm deshalb vors Schienbein. Was daraus zu machen ist? Westerwelle führt einen doppelten Schlag. Mindestens so sehr, wie es ihm um Zweifel an Schäuble geht, hat er noch ein anderes Interesse. Er will mehr noch als Schäuble die frühe Festlegung auf Schäuble verhindern. Denn die würde das Gewicht der FDP minimieren, an der doch alles in der Bundesversammlung hängt.

Was der FDP-Chef gegen die Person Schäuble einzuwenden hat, ist kein großes Geheimnis. Der Badener ist ein Mann, dessen persönliche und intellektuelle Eignung niemand in Frage stellt. Er hat allerdings in einer langen Karriere in der Union den einen oder anderen vor den Kopf gestoßen. Dass offene Rechnungen bei der geheimen Abstimmung in der Bundesversammlung beglichen werden, gilt nicht als ausgeschlossen. Ein Unions-Kandidat, der nicht alle Unions-Stimmen bekäme, wäre allerdings eine Katastrophe für alle Beteiligten – zuförderst für Angela Merkel.

Für die FDP ist ein zweites Argument noch schwerwiegender. Es graut so manchen Liberalen bei der Vorstellung, einen Bundespräsidenten mit gewählt zu haben, der dann das renovierungsbedürftige Bellevue noch gar nicht bezogen hat, während aus dem fernen Kanada bereits ein gewisser Waffenhändler Schreiber in jede verfügbare Kamera unkt, er habe da noch belastendes Material. Um dessen Glaubwürdigkeit ginge es dann weniger als um das Maß, zu dem ein neuer Bundespräsident beschädigt würde.

Klar ist vor allem eines. Parteichefs haben bevorrechtigten Zugriff. Ändert Edmund Stoiber seine Meinung, will er plötzlich doch, dann bekommt er den Zuschlag. Lange allerdings dürfte er sich nicht mehr zieren. Nach der Klausur von Kreuth schließt sich das Zeitfenster rasch.

Auch Merkel könnte ihren Hut in den Ring werfen. Dass sie es tut, gilt als ausgeschlossen. Unterhalb der Parteichef-Ebene sind alle Kandidatenanwärter Verhandlungsmasse. Den Liberalen ist vor allem daran gelegen, dass der Kandidat, wer immer es denn auch schlussendlich wird, als gemeinsamer Kandidat von Union und FDP präsentierbar ist. Da stören frühe Rufe nach Schäuble, ob sie nun von Koch, Stoiber oder mehreren Jüngeren in der CDU-Leitung kommen.

Dass die Union nur aus Dank für eine koalitionstechnische Vorfestlegung der FDP deren Fraktionschef Wolfgang Gerhardt zum Nachfolger Johannes Raus wählt, ist wenig wahrscheinlich. Was bleibt? Es bleiben Namen, die zuletzt ein wenig in den Hintergrund gerückt sind, wie jener von Erwin Teufel. Und es bleibt der parteinahe Überraschungskandidat, der aber eben nicht aus den Gremien kommt. Ein bürgerlicher Spitzenrepräsentant von Wirtschaft oder Kultur beispielsweise. Nur sind jene, die auch einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber die nötige Statur haben, alles andere als breit gesät.

Und so sind wir am Schluss fast wieder dort, wo wir eingangs waren. Stoiber signalisiert erneut: eher nicht. Koch spricht aus, was alle wissen: dass Schäuble der führende und der logische unter den Unions-Anwärtern ist. Westerwelle beharrt auf Zeitplänen, die noch viel Luft versprechen, weil dies sein taktisches Gewicht maximiert. So sind sie wohl zu verstehen, die Nachrichten. Es werden noch viele folgen. Wie Westerwelle richtig sagte: Es gab schon Bundesversammlungen, da fand sich der Kandidat in der Nacht vor der Wahl. Das Karussell wird sich noch etliche Male weiter drehen.

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