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Griechenlands Premierminister George Papandreou und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (r.) wissen, worum es beim Gipfel am Donnerstag in Brüssel geht.

© dpa

Was Europa braucht: Eine Koalition des Wollens

Die EU-Spitzenpolitiker werden sich beim Gipfel in Brüssel zu Maßnahmen durchringen müssen, ansonsten können sie mitsamt ihrer ganzen Entourage gleich zu Hause bleiben.

Angela Merkel, die Gefühlsausbrüchen – außer beim Fußball – so abholde deutsche Regierungschefin, warnt vor jeder Hoffnung auf spektakuläre Beschlüsse beim EU-Krisengipfel. Aber manchmal helfen nur einschneidende Maßnahmen oder die radikale Revision überkommener Standpunkte, um eine Katastrophe zu verhindern. Und eine solche dramatische Zuspitzung droht der europäischen Gemeinschaftswährung, wenn die Staats- und Regierungschefs weiter im Klein-Klein vor sich hinwursteln, während der Brandherd sich ausbreitet, von Griechenland über Portugal und Spanien nach Italien. Und dann, nach dem x-ten Hilfspaket?

Nein, wenn es beim Brüsseler Gipfel keine spektakulären Beschlüsse geben sollte, können die 27 Spitzenpolitiker mitsamt ihrer Entourage zu Hause bleiben. Sie werden sich zu Maßnahmen durchringen müssen, die in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen sind und vielleicht auch gegen deren Wortlaut verstoßen, aber sie werden es tun müssen, um den Geist der Verträge zu retten, um die Idee des vereinten Europa zu bewahren.

Und sie sollten sich nicht einreden lassen – oder etwa selbst glauben –, das Beschwören einer Zone des Friedens auf einem Kontinent, der von Jahrhunderten der Kriege immer wieder verwüstet worden ist, sei heute nichts mehr als die Sentimentalität von politischen Greisen. Die Tendenz zum Isolationismus, zu chauvinistischem Gehabe und zu großsprecherischen Überheblichkeitsausbrüchen ist latent, und je länger die Krise währt, desto unbehaglicher wird die Stimmung.

Wutbürger. Am Mittwoch wurde das deutsche Generalkonsulat in Thessaloniki mehr als eine Stunde lang von einer Gruppe der sogenannten empörten Bürger belagert. Auf das Konsulatsschild wurde ein Hakenkreuz geklebt.
Wutbürger. Am Mittwoch wurde das deutsche Generalkonsulat in Thessaloniki mehr als eine Stunde lang von einer Gruppe der sogenannten empörten Bürger belagert. Auf das Konsulatsschild wurde ein Hakenkreuz geklebt.

© Andreas Meyer

Auch die politischen Profiteure dieser Abkehr von Europa sind schon da. Nichts spricht dafür, dass sie diesen Kontinent gerechter oder friedlicher machten, kämen sie an die Macht. Bei jeder Europa betreffenden Entscheidung auch die Innenpolitik im Auge zu haben, ist legitim. Aber erst im Blick auf das Ganze wird aus Interessenvertretung auch Zukunftsgestaltung.

Ja, Europa ist eine Transferunion. Auch wenn der Vertrag von Lissabon eine Übernahme von Schulden eines Landes durch andere Staaten ausschließt, wird kein Weg daran vorbeiführen, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen oder durch so genannte Eurobonds, also europäische Anleihen, zu übernehmen. Nur ein solches klares Signal wird die Spekulation bremsen, die ja nicht an sich von Übel, sondern nur ein Signal der Märkte ist, dass man an der Solidität und Solidarität der Gemeinschaft zweifelt.

Alleine die Äußerung der Kanzlerin, sie erwarte keine spektakulären Beschlüsse auf dem Gipfel, hat vermutlich spanische und portugiesische Anleihen wieder verteuert. Ach, hätte sie doch das Gegenteil gesagt... Von der Transfer-Union Europa haben die Deutschen übrigens in den letzten 20 Jahren wunderbar profitiert. Sie sind zwar die größten Netto-Zahler, aber über die so genannten Ziel-1-Gebiete sind Milliarden an Fördergeldern in die fünf jungen Bundesländer geflossen. Dass kein Land vom Euro mehr Nutzen hat als Deutschland, geben sogar die Euro-Skeptiker zu.

Und wenn die FDP diesen Kurs nicht mitsteuert? Wenn Philipp Rösler, Frank Schäffler und andere Liberale weiter auf die Devise „Wir halten uns da raus!“ setzen? Dann ist es Zeit, diese Koalition zu beenden. Sie hat ohnedies schlecht gearbeitet. Das lag vor allem an den das Regieren nicht mehr gewohnten Freien Demokraten.

Die SPD-Spitze hat der Kanzlerin am Montag eine Offerte gemacht, die man nur als Koalitionsangebot verstehen konnte. Ohne eine klare Positionierung Deutschlands ist Europa nicht zu retten – ein Europa, ohne dessen Rückhalt auch das sich so groß vorkommende Deutschland in der Welt nur ein kleiner Wicht wäre. CDU, CSU und SPD könnten die Klarheit, aus der die EU wieder Kraft schöpfen würde, schaffen. Alleine die Bildung einer solchen Koalition würde die ganze Euro-Spekulation bereits stoppen, weil Schwarz-Rot schon einmal, in der Weltfinanzkrise, entschlossen führte.

Die FDP dürfte sich dann gerne mit einer Anti-Europa-Position über die Fünf-Prozent-Hürde retten. Das wäre zwar nicht mehr die Partei Genschers und Scheels, aber die würden das verschmerzen.

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