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Meinung: Was grollt denn da?

Die Rebellen gegen Schröder: Zwölf Zwerge – und mehr

Man bekommt dieser Tage leicht einen falschen Eindruck vom Zustand der geschätzten Republik. Die SPD rebelliert, total reformunwillig wie sie nun mal ist, gegen ihren innenpolitisch gleich blasierten wie re-blairisierten Kanzler, nicht wahr? Die Rebellen sind doch auf allen Kanälen zu hören, sie lassen doch keine Chance aus, unter der wehenden Fahne namens soziale Gerechtigkeit zum Sturm auf die Reformbastille in Gestalt des Kanzleramts zu blasen. Deshalb ist der Kanzler doch in Wackelgefahr, oder?

Die Wahrnehmung belegt, wie erfolgreich zwölf Hinterbänkler aus dem Parlament die Republik gekapert haben. Nun ist es schon richtig, wenn die zwölf Anschieber des Mitgliederbegehrens darauf verweisen, dass an der Parteibasis und im breiten Volk gar mancher denkt wie sie. Und richtig ist auch, dass die rot-grüne Mehrheit im Bundestag knapp bemessen ist. Wer sich da zur Sperrminorität aufschwingt, der hat folglich machttechnisch das Gewicht eines Züngleins an der Waage. Vor allem aber ist richtig, dass die offizielle „Parlamentarische Linke“ (PL) in der SPD, die Erste-Klasse-Bedenkenträger also, gleichermaßen eingebunden ist in die Fraktionsführung wie inhaltlich gespalten zwischen den ominösen Zwölf und der Achse des Sparens Schröder-Clement-Eichel.

Vorösterliche Unruhestifter

Das alles ist richtig. Und deshalb ist Schröder nicht sicher, erwartete Parteitagsmehrheit hin oder her. Dennoch sind die vorösterlichen Unruhestifter, die ihr Mitgliederbegehren im Windschatten der Feiertage anschoben, nicht so schwergewichtig, wie es Opfer und Betrachter glauben. Die Zwölf sind ein Sammelsurium von Sonderinteressen. Unter ihnen sind etliche bayerische Sozialdemokraten, die ohnedies bei den Landtagswahlen im Herbst nichts zu verlieren haben außer ihrer 20-prozentigen Kernwählerschaft, die sie jetzt mit Hardcore zudröhnen.

Ihnen zur Seite stehen Ostdeutsche, die vor der Haustür eine Misere solchen Ausmaßes vorfinden, dass Reform zwangsläufig nur als Zumutung und überhaupt nicht als Chance dasteht. Daneben melden sich noch Trittbrettfahrer wie der Juso-Chef, der stündlich zwischen theorielastigen Ablenkungsmanövern, Frontalangriffen und Integrationsofferten wechselt. Womit wir alle Lager abgedeckt hätten, und nur die Möchtegern-Stars außen vor ließen. Als da wären: das übliche Sperrfeuer von der französischen Grenze, wo Oskar den Ausfall aus seiner Trutzburg plant, und Herr Pronold aus Bayern, dort Juso-Chef, zugleich einer der Zwölf, und beide Mitgliedschaften vor allem als Sprungbrett deutend. Sein Kalkül: An mich wird sich die Republik schon erinnern.

Indirekt direkt

Das beachtliche Eigenleben, das die Zwergenrevolte bislang hatte, zeigt eher die Verunsicherung der Mutterpartei als die Macht der Aufständischen. So kommt es, dass Deutschland dieser Tage glauben könnte, hier wackle der Schwanz mit dem Hund. Haben die Rebellen und ihre klammheimlichen PL-Freunde dem Kanzler am Montag etwa nicht eine weitere Rücktrittsdrohung abgenötigt, eine, die von den Nachrichtenagenturen zwar als „indirekt“ klassifiziert wird, die an Deutlichkeit dennoch nichts zu wünschen übrig ließ? Belegt es nicht die Macht des Protests, wenn der den Kanzler erneut zur Friss-oder-Stirb-Strategie nötigen kann, wenn Schröder also wieder das schwerste aller ihm zu Gebote stehenden Geschütze grollen lassen muss?

Hier sind wir beim Kernproblem der SPD. Die Hinschmeiß-Drohungen des Kanzlers sind in der Lafontaine-geschädigten Sozialdemokratie ein Werkzeug, um Angst vor dem Rückfall zu schüren. Vor allem aber sind sie ein Werkzeug Schröder’scher Selbstdarstellung. Er weiß, wie es geht, und macht’s, wenn man ihn lässt. Und notfalls hat der Konsensbauer dazu niemanden nötig, notfalls geht er zurück in seinen ordentlichen Beruf. So sieht sich der Kanzler, so will er regieren, das ist seine Mischung aus postmoderner Leichtigkeit und Arroganz der Macht. Und eben da spielen die Anderen gerne mit.

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