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Meinung: Was hat es auf sich mit den Fangprämien für Patienten?

„Bares Geld für jeden Patienten“ vom 23. Mai Wenn man die Hintergründe der „Studie“ über Fangprämien für Ärzte genau recherchiert, wird man feststellen, dass es sich um eine vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen initiierte und finanzierte Telefonaktion bei einigen wenigen Leistungserbringern mit Suggestivfragen handelt und mitnichten um eine repräsentative Studie.

„Bares Geld für jeden Patienten“ vom 23. Mai

Wenn man die Hintergründe der „Studie“ über Fangprämien für Ärzte genau recherchiert, wird man feststellen, dass es sich um eine vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen initiierte und finanzierte Telefonaktion bei einigen wenigen Leistungserbringern mit Suggestivfragen handelt und mitnichten um eine repräsentative Studie. In der am 22.05.2012 gezielt zeitgleich losgetretenen Medienkampagne werden die spärlichen Inhalte der Studie, die den wissenschaftlichen Grundlagen einer gymnasialen Facharbeit nicht genügen würden, auch noch völlig polemisierend und falsch wiedergegeben, um die Bevölkerung mit dem Schüren von Ressentiments gegen die Ärzteschaft gezielt zu manipulieren, da am 22. Mai auf dem Deutschen Ärztetag in Nürnberg auch beraten werden sollte, wie mit den gigantischen Rücklagen der gesetzlichen Kassen von 19 Milliarden Euro korrekt weiter verfahren werden soll. Tatsache ist, dass die Krankenkassen im Geld der Versicherten und den Geldern von nicht korrekt ausbezahlten Leistungen an die Leistungserbringer förmlich schwimmen und ihre Machtposition jetzt gefährdet sehen, da immer mehr Menschen merken, dass es als ethisch sehr bedenklich einzustufen ist, 19 Milliarden Euro zu horten und für die Versicherten letztlich immer weniger Leistungen zu übernehmen. Mir ist während meiner jahrelangen ärztlichen Tätigkeit kein einziger Kollege bekannt, der irgendeine Fangprämie erhalten hat. Vermutlich hätte es ja sonst auch irgendwelche relevanten Anzeigen bei den längst eingerichteten Stellen der Ärztekammern gegeben.

Dr. med. Matthias Schröder, Neurochirurg,

1. Vorsitzender Praxisnetz München Zentrum e.V.

Sehr geehrter Herr Dr. Schröder,

die Studie zu Fangprämien für die Einweisung ins Krankenhaus hat in den Medien hohe Wellen geschlagen. Sie sehen diese Studie mit Skepsis. Es wird Sie verwundern, aber mir geht es ähnlich. Es mag hier Missstände geben, die man dann auch abstellen muss. Doch was ist des Pudels Kern? Es ist doch Tatsache, dass es in Deutschland zu viele Krankenhausbetten gibt und damit auch den Anreiz, diese Betten auszulasten. Das zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien, die über jegliche Methodenkritik erhaben sind. Im Jahr 2010 wurden 1,3 Millionen Krankenhaus-Behandlungsfälle mehr abgerechnet als 2006. Aber nur 480 000 lassen sich auf eine veränderte Altersstruktur der Bevölkerung zurückführen. Kein Schelm, wer „Böses“ dabei denkt. Denn Überkapazitäten erzeugen stets starken wirtschaftlichen Druck, dem sich Krankenhausdirektoren kaum entziehen können. Das sehen die Ärzte augenscheinlich ähnlich. Denn der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Ulrich Montgomery, hat auf dem Ärztetag vergangene Woche die Kollegen in den Krankenhäusern aufgerufen, „auf rein ökonomisch orientierte Anreizmechanismen zu verzichten“. Eine Selbstverständlichkeit – oder etwa nicht?

Lassen Sie mich zu Ihrem Vorwurf kommen, die Krankenkassen würden über „gigantische Rücklagen“ verfügen und im „Geld der Versicherten schwimmen“. Mit Verlaub, das hört sich, auch ein bisschen nach Kampagne an. Es lässt sich aber leicht aufklären. Gesetzliche Kassen geben für ihre 70 Millionen Versicherten derzeit 180 Milliarden Euro aus. Das bedeutet pro Monat ein Ausgabevolumen von 15 Milliarden. Setzt man die von Ihnen angeführten Überschüsse von rund 19 Milliarden Euro dagegen, stellt man fest, es ist etwas mehr als die Summe dessen, was die Kassen Monat für Monat an Ärzte, Krankenhäuser, Hebammen und alle anderen Leistungserbringer bezahlen. An oberster Stelle steht für uns ein vernünftiger Umgang mit dem Geld unserer Versicherten. Denn wem nützt es, wenn wir heute ausschütten und im kommenden Jahr Zusatzbeiträge erheben müssen, weil Einnahmen und Ausgaben sich nicht die Waage halten?

Unser Gesundheitswesen ist eines der besten der Welt. Auch wenn man an einzelnen Aspekten berechtigte Kritik anbringen muss, darf man die Vorteile nicht aus dem Auge verlieren. In diesem solidarisch finanzierten System hat jeder Versicherte unabhängig von Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand Zugang zur medizinischen Versorgung auf sehr hohem Niveau.

Es ist die Aufgabe der Kassen, dieses Gesundheitswesen für ihre Versicherten zu sichern und für die Zukunft fit zu machen. Deshalb ist es notwendig, mit den Überschüssen solide umzugehen. Das heißt aber auch, dass wir stärker als bisher die Qualität der Leistungen, die in Arztpraxis und Krankenhaus erbracht werden, zur Grundlage der Honorierung machen. Dann kommen wir auch dazu, dass der Bettenberg in Deutschlands Krankenhäusern abgebaut wird, Auswüchse wie Fangprämien für Krankenhauseinweisungen unterbleiben, und wir nicht weiter für diese Fehlentwicklungen das Geld der Versicherten ausgeben müssen. Lassen Sie uns doch gemeinsam daran weiterarbeiten, dass jeder Cent in eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens investiert wird.

— Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender

des AOK-Bundesverband, Berlin

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