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Meinung: Was hinten rauskommt

„Bitte umblättern“ vom 18. Januar Ich bin Lehrer an einer Förderschule und freue mich, welch gute Resonanz unsere Lesewettbewerbe bei den Schülern finden.

„Bitte umblättern“ vom 18. Januar

Ich bin Lehrer an einer Förderschule und freue mich, welch gute Resonanz unsere Lesewettbewerbe bei den Schülern finden. Man kann sicher einige dieser Kinder motivieren, in eine kieznahe Bibliothek zu gehen – aber welches Kind, welche Eltern würden von Friedrichshain, wo sich unsere Schule befindet, eine Reise zum Tempelhofer Feld unternehmen? Die Politiker wissen anscheinend nicht, wie eingeschränkt der Aktionsradius insbesondere der Kinder aus bildungsfernen Schichten ist – viele Eltern haben ihre Kinder noch nicht einmal ins Zentrum Berlins geführt.

Dass mangels finanzieller Unterstützung immer mehr kleine, kieznahe Bibliotheken schließen, erodiert unsere Zukunft, die auf Lese- und Lernkompetenzen angewiesen ist. Die Kurt-Tucholsky-Bibliothek wird nur durch ehrenamtlich tätige Mitbürger aufrechterhalten. Wie auch bei der öffentlichen Grünpflege vernachlässigt die Berliner Politik bei den Bibliotheken die Kieze und setzt stattdessen auf prestigeträchtige Großprojekte: Internationale Gartenausstellung hier, Zentralbibliothek da. Dass für das Große der Senat und für das Kleinteilige die Bezirke zuständig sind, ist für die Bürger letztlich nicht wichtig: Für sie ist entscheidend, „was hinten rauskommt“. Und das sind Kürzungen vor Ort, während andernorts geklotzt wird. Kompetenzgerangel zwischen Senat und Bezirken verstärkt Politikverdrossenheit. In Kenntnis der beiden prämierten Entwürfe für die Zentralbibliothek, aufgehübscht durch Worthülsen von Politikern, graust mir vor einer weiteren, sich verteuernden Endlosbaustelle Berlins. Ich bin zwar nicht gegen eine Wohn-

Randbebauung des Tempelhofer Feldes und auch nicht gegen einige kleine Eingriffe, die die „Tempelhofer Freiheit“ für mehr Menschen nutzbar machen sollen – wenn aber die Zentralbibliothek Teil des Pakets wird, sage ich: dann lieber 100 Prozent Tempelhofer Feld!

Carsten Meyer, Berlin-Prenzlauer Berg

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