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Meinung: Was kann in der Schule mit Vergleichstests erreicht werden?

„1000 Unterschriften gegen Vera-Leistungstest?“ vom 12.

„1000 Unterschriften gegen Vera-Leistungstest?“ vom 12. Mai

Unsere Tests bewirken in erster Linie, dass die Politiker über die Ergebnisse diskutieren und sich für Bildung einsetzen – für die Unterrichtspraxis bringen sie nicht so viel“, erklärte mir der Leiter eines großen US-Testprogramms, das seit Jahrzehnten durchgeführt wird. Genau dies ist der Haupteffekt solcher großflächigen Testuntersuchungen, zu denen auch Vera gehört. Diese Testkategorie dient dem Leistungsnachweis des Bildungssystems gegenüber der Öffentlichkeit, sie ist weiter ein wichtiges Planungs- und Kontrollinstrument der Bildungsverwaltung. Aber solche Tests als verkannte Diagnoseinstrumente für die Schulpraxis darzustellen, ist fragwürdig. Diagnostische Tests beschränken sich auf einen engen Lernbereich, liefern dafür differenzierte individuelle Ergebnisse, sind mit entsprechenden Lernmethoden und -hilfen zu koppeln und erlauben es, unterschiedliche Niveaus von Schülergruppen zu berücksichtigen. Also: Ergänzend zu den großflächigen Nachweis-, Planungs- und Kontrolltests (die man reduzieren könnte) diagnostische Tests entwickeln und einsetzen, die diesen Namen verdienen. Damit würde man auch die Interessen der Lehrer als Hauptnutzer von Schultests berücksichtigen.

Dr. Wilfried Reisse, Berlin-Wilmersdorf

Sehr geehrter Herr Dr. Reisse,

Sie haben recht, Vergleichsarbeiten haben eine wichtige Funktion für das Bildungssystem. Natürlich lassen sich bei großflächig angelegten, breiten Verfahren keine direkten Schlussfolgerungen zu den Ursachen und Problemen im Rahmen des Unterrichts an einer konkreten Bildungseinrichtung ableiten. Dennoch entfalten solche Studien eine nachweisbare Wirksamkeit.

Wo wären wir denn heute ohne Pisa? Die Veröffentlichung der ersten Pisa-Studie lieferte endlich den Hebel, um massive Veränderungen und Investitionen durchzusetzen. Ohne nationale Leistungsvergleiche würden Bundesländer wie Berlin oder Bremen noch schlechter dastehen. Aber nicht nur die Schulen haben sich enorm verändert und geöffnet. Auch die sonst eher zurückhaltenden Haushaltspolitiker fürchten den öffentlichen „Bildungsabstieg“ und sind bereit, mehr in Bildung zu investieren.

Es ist auch sinnvoll, spezifische Untersuchungen durchzuführen, damit Defizite oder Problemlagen schneller und präziser festgestellt werden können. Die Ergebnisse liefern den einzelnen Schulen wertvolle Hinweise, wo zusätzliche Anstrengungen und gezielte Fördermaßnahmen notwendig sind, oder welche pädagogischen Ansätze sich bewährt haben. Dies hilft den Schulen bei der Frage, ob sie auf dem richtigen Weg sind, oder wo sie nachsteuern müssen. Selbstverständlich muss sich auch der zuständige Senator fragen, ob zum Beispiel die Personalausstattung ausreicht, damit die vorgegebenen Ziele in der jeweiligen Schule überhaupt erreicht werden können.

Ich setze mich seit langem dafür ein, dass die Ergebnisse aus Bildungsforschung und den Vergleichsarbeiten (Vera) in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, um die Bildungsqualität zu verbessern. Es ist Kernaufgabe guter Bildungspolitik, das Zusammenwirken von empirischer Bildungsforschung und täglicher pädagogischer Praxis zu stärken.

Gerade die Rückmeldung der Vera-Ergebnisse von 2004 bis 2006 beinhalteten für die Berliner Pädagogen sehr hilfreiche Hinweise. Leider wurden diese ab 2007 teilweise weggelassen. Bis dato wurde den Pädagogen ein „fairer Vergleich“ mit Schülern in ähnlich zusammengesetzten Klassen ermöglicht.

Meine Fraktion hat sich dafür stark gemacht, diesen „fairen Vergleich“ wieder einzuführen – und siehe da, laut Senator Zöllner soll es im kommenden Schuljahr tatsächlich so geschehen. Nur im „fairen Vergleich“ werden Einflussfaktoren wie nichtdeutsche Herkunftssprache oder soziale Faktoren berücksichtigt, so dass aussagekräftige Kompetenzvergleiche möglich werden. Darüber hinaus wird den Pädagogen eine Rückmeldung zu ihrer Diagnosegenauigkeit gegeben. Beide Formen der Rückmeldung sind für den schulinternen und vor allem schulübergreifenden Austausch in der Diskussion um wirksame Förderkonzepte unverzichtbar. Um empirische Bildungsforschung zur Verbesserung von Schulqualität zu nutzen, ist aber vor allem der Senat gefordert. Er ist in der Pflicht, den Schulen vorbildhaft aufzuzeigen, welche konkreten Schlüsse und Maßnahmen aus den Ergebnissen der Vergleichsarbeiten abzuleiten sind. In Berlin ist leider jahrelang nur über die Höhe der Fördermittel diskutiert worden, anstatt, eine Diskussionsebene zu eröffnen, die in der Auswertung der Vera-Ergebnisse zu einem Vergleich der wirksamsten Förderkonzepte unter den Pädagogen führt. Um diesen fairen Vergleich der pädagogischen Förderkonzepte muss es bei Vera endlich gehen. Nehmen wir die Herausforderung an und öffnen wir uns gegenüber derartigen Vergleichen. Das führt nicht nur zu mehr Transparenz, wie von

vielen Eltern gewünscht,

das führt auch zu einer

besseren Bildungsqualität.

Und um die geht es

in Berlin!

— Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

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