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Meinung: Was Krieg bedeutet

Im Krieg, zumal wenn er in fernen Ländern stattfindet, gerät schon mal daheim die Übersicht abhanden. Diesem Stadium nähert sich die Diskussion um das deutsche Engagement in Afghanistan.

Von Robert Birnbaum

Im Krieg, zumal wenn er in fernen Ländern stattfindet, gerät schon mal daheim die Übersicht abhanden. Diesem Stadium nähert sich die Diskussion um das deutsche Engagement in Afghanistan. Es ist ein für die Politik wenig erfreuliches, um nicht zu sagen: ein bedrohliches Stadium. Je gefährlicher ein Bundeswehr-Einsatz, desto wichtiger für seine Legitimität, dass das Publikum ein halbwegs klares Bild von Zweck und Ablauf bekommt.

Zum Thema Dokumentation: Die Bundeswehr im Einsatz Fotostrecke: Deutsche Soldaten in Afghanistan Stichwort: Kommando Spezialkräfte (KSK) Hintergrund: Das Mandat zum Bundeswehreinsatz Dieses Bild war zu Beginn der diversen Afghanistan-Einsätze leidlich vorhanden. Inzwischen droht es in einer wilden Melange zu verschwimmen, in der sachliche Debatten schwierig werden. Nehmen wir den "Geheimnisverrat" des PDS-Abgeordneten Gehrke. Dieser, Obmann im Verteidigungsausschuss, war wie seine Kollegen aus den anderen Fraktionen von Verteidigungsminister Rudolf Scharping unter anderem über den Einsatz deutscher KSK-Kämpfer im Rahmen der US-Operation "Anaconda" in den Bergen des Hindukusch informiert worden.

Gehrke machte den Inhalt der streng geheimen Unterrichtung öffentlich. Die Empörung amtlicherseits war laut, aber nicht groß, was man auch daran erkennen kann, dass der Kanzler die PDS nun keineswegs aus seiner Montagsrunde der Partei- und Fraktionschefs zum gleichen Thema verbannte.

Was Scharping den Abgeordneten erzählt und Gehrke ausgeplaudert hatte, hätte große Empörung auch nicht gerechtfertigt. Es handelte sich um weiter nichts als eine um ein Weniges präzisere Fassung des Auftrags, mit dem der Bundestag die Soldaten in den Einsatz geschickt hatte. Die Mitteilung, die KSK-Soldaten jagten tatsächlich mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen, sorgte dennoch für gewisse Aufregung, weil sie die erste, nun ja, amtliche Bestätigung war.

Genau diese Art Aufregung aber ist es, die dazu beiträgt, dass das Publikum den Überblick verliert und irgendwann dann auch das Zutrauen. Daraus kann die Regierung zweierlei lernen. Es lohnt sich - erstens - auf Dauer nicht, gefährliche Einsätze als ungefährliche Polizeiaktionen hinzustellen, wie es der Kanzler in der Debatte um die Vertrauensfrage getan hatte. Das mag damals zweckdienlich gewesen sein, um die Grünen-Kritiker zu besänftigen. Aber innenpolitisches Taktieren verträgt sich nicht mit Außenpolitik.

Gleiches gilt - zweitens - für die allgemeine, von Scharping zuständigkeitshalber exerzierte Geheimniskrämerei, die zu absurden Situationen führt. Die bloße Mitteilung, dass ein vom Parlament gebilligter Einsatz stattfindet, erscheint als Geheimnisverrat. Verstehen wir uns recht: Dass Gehrke vereinbarte Vertraulichkeit bricht, ist nicht in Ordnung, weil es die Spielregeln im parlamentarischen Betrieb insgesamt in Frage stellt. Dass die Regierung aber für Banalitäten Geheimschutz beansprucht, ist auch nicht in Ordnung.

Der Kanzler hätte die Möglichkeit, dieses Klima des Klandestinen zu beseitigen. Er müsste nur ein wenig offener werden. Er müsste es nur wollen. Man kann den Konjunktiv auch weglassen und sagen: Er muss es wollen. Dass das deutsche Engagement in Afghanistan richtig und notwendig ist, ist ohnehin nicht einfach zu begründen. Wenn die Öffentlichkeit weiter den Eindruck bekommt, dass sie Informationen nicht bekommt, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gibt, wird diese Begründung noch schwieriger. Eine Politik, die sich der Erklärung und der Diskussion ihres Tuns durch falsch verstandenen Geheimschutz entzieht, verliert Vertrauen. Vertrauen nämlich ist keine einseitige Angelegenheit. Es entsteht durch Geben und Nehmen.

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