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Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

ZEIT-Herausgeber Josef Joffe versöhnt Moral und Interesse des Westens und gratuliert Ronald Reagan zum 100. Geburtstag.

Hat der Westen seine Werte verraten, weil er zu lange arabische Despoten unterstützte?

Schlag nach bei Adenauer: „Sie müssen die Menschen so nehmen, wie sie sind. Es gibt keine anderen.“ Schon gar nicht in Nahost, wo die einzige Demokratie Israel heißt. Natürlich möchten wir lieber mit lupenreinen Demokratien verkehren. Und was machen wir mit den anderen 150 Staaten, die es nicht sind? Das Gute zu fordern ist einfacher, als das Gute tun. Hitler, Hirohito und Hussein wurden durch Kriege beseitigt. Wer den Krieg scheut, muss die ewige Gratwanderung zwischen moralischer Pflicht und nationalem Interesse bewältigen. Eine andere demokratische Außenpolitik kann man nur predigen, nicht praktizieren.

Hat uns die Sicherheitskonferenz in München sicherer gemacht?

Auf jeden Fall die Gäste, werden doch die Kontrollen jedes Jahr schärfer. Die „Munich Security Conference“, geb. „Wehrkunde“, ist das Davos der Strategen. Einst ein Nato-Familientreff, umfasst es nun die ganze Welt. Präsidenten, Kanzler, Potentaten kommen gern in den Bayerischen Hof, um sich dort halboffiziell auszutauschen oder eine Botschaft zu lancieren. WmdW vermisst die alten Zeiten, als noch Faschingsbälle während der Konferenz abliefen. Er ging geradewegs von der Sitzung in die Sause und behauptete, er hätte sich als Staatsminister verkleidet.

Am vergangenen Sonntag wäre Ronald Reagan 100 Jahre alt geworden: Gibt es einen Grund, sich nach diesem US-Präsidenten zurückzusehnen?

Heute mehr denn je. Er hat am ersten Tag seiner Amtszeit die Geiseln von Teheran befreit. Er hat in acht Jahren keinen Krieg geführt (okay, ein bisschen – in Grenada). Er hat die Hand Gorbatschows ergriffen und mit ihm den Abbau der Mittelstreckenraketen (Pershing, SS-20) in Europa beschlossen. Er hat den ersten Schlag gegen die Berliner Mauer geführt („Mr. Gorbachev, tear down this wall!“). Er hat mit seiner Deregulierungs- und Steuerpolitik die längste Expansionsphase der US-Geschichte ermöglicht (1992–2007). Als er 1989 abtrat, hatte er eine der höchsten Zustimmungsquoten für einen scheidenden Präsidenten. Nicht schlecht für einen „Schauspieler“, wie Reagan von seinen deutschen Freunden tituliert wurde.

Ein Wort zur deutschen Außenpolitik ...

Aufstand in Arabien, und außer den Amis geht niemand so richtig hin. Was – siehe Frage 1 – noch ein Problem aufwirft. Außenpolitik muss nicht nur wollen, sondern auch können. Und dazu braucht man die Mittel, die Deutschland nicht hat. Oder ein globales Verantwortungsbewusstsein, das dem neuen Superstar China abgeht. Den interessiert nur Handel und Energie – und die atemberaubende Aufrüstung.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Malte Lehming.

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