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Meinung: Was sich gehört

Von Dieter Fockenbrock

Die Opposition schreit „Skandal“. Gesetze sollen her, zumindest aber harte Regeln. Vorschriften darüber, ob, wann und unter welchen Bedingungen Minister, Staatssekretäre oder hochrangige Beamte in die freie Wirtschaft wechseln dürfen. Der aktuelle Fall: Alfred Tacke, beamteter Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, geht in die Industrie. Ausgerechnet zum Kohlekonzern RAG, der als einer der Profiteure aus der Fusion von Eon und Ruhrgas gilt – und diese Fusion hat Tacke genehmigt. Der geplante Wechsel wird politisch ausgeschlachtet. Die Union hat eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses durchgesetzt, verlangt Konsequenzen aus dem neuesten Fall roter Vetternwirtschaft.

Die Kritiker sollten aufpassen. SpeziWirtschaft ist keine Spezialität der Sozialdemokraten. Doch Tackes Entscheidung fordert geradezu Widerspruch heraus. Zu sehr hat der künftige Arbeitgeber von seinen Entscheidungen im Wirtschaftsministerium profitiert. Warum hat sich der 53-Jährige keinen Job in einer anderen Branche gesucht? Angebote soll er ja genug haben. Tackes Ansehen und Kompetenz sind in der Wirtschaft unumstritten. Das soll ihm niemand neiden. Die Entscheidung, sich von seinem früheren Chef und dem heutigen RAG-Boss Werner Müller abwerben zu lassen, ist aber mehr als eine reine Geschmacksfrage. Das gehört sich nicht. So scheint der Ruf nach Gesetzen und Auflagen für Staatsdiener nur konsequent. Ist er aber nicht.

Den Sündenfall Tacke als Anlass dafür zu nehmen, mobile Staatsbeamte auszubremsen, hieße, die Angelegenheit Tacke völlig überzubewerten. Und: Es hieße, in guter deutscher Tradition das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn der Personalaustausch zwischen Politik und Wirtschaft ist ausdrücklich erwünscht. Warum wohl reden Politiker und Manager ständig aneinander vorbei, warum wohl müssen Gesetze und Verordnungen ständig nachgebessert werden? Es fehlt an Austausch zwischen den Chefetagen der Industrie und den Chefbüros der Behörden – inhaltlich wie personell. Beamte, die ihre Planstelle gegen einen Job in der Industrie tauschen wollen, sollten deshalb nicht aufgehalten werden. Schon gar nicht mit einem Gesetz, das den untauglichen Versuch unternimmt, alle Lebenslagen zu regeln. Einen Ehrenkodex brauchen wir dagegen schon. Denn nicht alle Staatsdiener scheinen zu wissen, was sich gehört.

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