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Was WISSEN schafft: Falsche Hoffnung

Krebstherapien müssen besonders kritisch geprüft werden. Denn Therapien mit sehr begrenztem oder fehlendem Nutzen verschwenden erhebliche Mittel, die in anderen Bereichen dringend benötigt würden.

Ich bin ein Cowboy. Ich bin ein Tänzer. Ich werde damit fertig!“ Mit diesem Zitat feiern die US-Medien derzeit das Comeback des Hollywood-Stars Patrick Swayze. Der seit „Dirty Dancing“ weltbekannte, inzwischen 55-jährige Schauspieler spielt demnächst einen fiesen FBI-Cop in der amerikanischen TV-Serie „The Beast“ (Die Bestie).

Die Freude seiner Fans gilt zugleich dem vermeintlichen Sieg über eine ganz besonders bösartige Bestie. Bei Swayze wurde im Februar Krebs der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert. Die Hochglanzmagazine erklärten daraufhin, der Schauspieler hätte nur noch wenige Wochen zu leben. Diesen Montag vermeldete Swayze jedoch „ein Wunder“: Eine experimentelle Therapie des Stanford-Professors George Fisher habe ihn geheilt, zusammen mit viel frischer Luft auf der heimischen Ranch und einer täglichen Dosis Ingwerwasser.

Doch besiegt geglaubte Bestien kommen meistens überraschend wieder, nicht nur im Film. Bei Bauchspeicheldrüsenkrebs ist die häufigste Form leider auch die tödlichste. Nur zehn Prozent der Patienten sind nach fünf Jahren noch am Leben. Im vergangenen Jahr starb Luciano Pavarotti daran, nur 14 Monate nach der Operation. Wer nicht operiert werden kann, hat noch schlechtere Aussichten: Chemotherapie und Bestrahlung alleine haben bei Bauchspeicheldrüsenkrebs miserable Ergebnisse. Auch neue, experimentelle Therapien bringen so gut wie nichts. Trotzdem wird bei dieser und anderen, unheilbaren Krebserkrankungen fast immer alles aufgeboten, was die Pharmaindustrie hergibt – koste es, was es wolle.

Deshalb sollen ab 2009 die gesetzlichen Krankenkassen neue Therapien nur noch bezahlen, wenn der erwartbare Nutzen die höheren Kosten rechtfertigt. Natürlich läuft die pharmazeutische Industrie dagegen Sturm, weil sich teure onkologische Forschung dann bald nicht mehr rentieren könnte. Unterstützung kommt jetzt von der Deutschen Krebsgesellschaft: Die Kosten-Nutzen-Bewertung könnte dazu führen, dass „vielversprechende und wirksame“ Medikamente den Patienten vorenthalten werden.

Viele Versprechungen angeblicher Wundermittel werden jedoch nicht gehalten. Und auch die „Wirksamkeit“ ist, gerade in der Krebstherapie, ein vager Begriff: Weil es echte Heilungen nur bei wenigen Krebsarten gibt, gilt in der Onkologie bereits eine Lebensverlängerung um wenige Monate als Erfolg. Mit Behandlungsmethoden, die etwa zu einer statistischen Verlängerung der mittleren Überlebenszeit von 18 auf 21 Monate führen, verdienen Ärzte und Pharmafirmen Milliarden, Scharen von Wissenschaftlern können sich profilieren. So niedrig sind die Ziele in keinem anderen medizinischen Forschungsgebiet gesteckt – ein Malariamittel mit ähnlich schlechter Wirksamkeit etwa hätte keine Chance, in die klinische Erprobung zu kommen.

Krebstherapien mit sehr begrenztem oder fehlendem Nutzen verschwenden erhebliche Mittel, die in anderen Bereichen dringend benötigt würden. Zum Beispiel bei der Prävention und Früherkennung, die mehr Leben retten könnte als alle teuren Chemotherapien zusammen. Oder in der Palliativmedizin, die wenigstens Leiden mindert. Oder für die wenigen Krebstherapien, die (etwa bei Kindern) wirkliche Erfolge zeigen. Eine strenge Kosten-Nutzen-Abwägung ist deshalb überfällig.

Das stößt auch deshalb auf Widerstand, weil Ärzte oft nicht aufgeben können und weil sich todkranke Patienten – verständlicherweise – an jeden Strohhalm klammern. Für die (keineswegs gesicherte) Aussicht auf wenige zusätzliche Monate nehmen sie schwerste Nebenwirkungen, verstümmelnde Operationen und Kasernierung im Krankenhaus auf sich. Doch wird das Leben dadurch wirklich erfüllter und lebenswerter?

Patrick Swayze glaubt derzeit, die Strapazen der Stanford-Therapie hätten sich gelohnt. Dem Vernehmen nach wurde er nicht operiert. Wenn dies stimmt, war der Krebs schon zu weit fortgeschritten und wird sein Leben demnächst beenden. Oder die Ärzte haben sich in der Diagnose geirrt. – In beiden Fällen hätte der Tänzer und Cowboy wohl ebenso gut auf seiner Ranch bleiben und Ingwerwasser trinken können.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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