zum Hauptinhalt

Was WISSEN schafft: Katastrophe aus dem Labor

Nach dem zweiten Fall der Maul- und Klauenseuche fürchten die Briten eine Wiederholung der Katastrophe von 2001. Das Schlimmste daran: Das Virus ist wohl hausgemacht.

In Großbritannien geht die Angst vor der Seuche um. Rund 200 Rinder mussten bisher auf zwei Farmen in der südenglischen Grafschaft Surrey gekeult werden, seit am Freitag die gefürchtete Maul- und Klauenseuche entdeckt wurde.

Jetzt befürchten die Briten eine Wiederholung der Katastrophe von 2001: Damals breitete sich das Virus auf über 2000 Farmen aus, sieben Millionen Tiere mussten getötet werden, im ganzen Land brannten die Scheiterhaufen. Sechs Monate lang befand sich das Vereinte Königreich im Ausnahmezustand, Straßen und Transportwege waren gesperrt, zahlreiche Rinder- und Schafszüchter verloren ihre Existenzgrundlage. Der Export von Tieren und Tierprodukten war monatelang verboten, der Schaden lag bei acht Milliarden Pfund.

Die Maul- und Klauenseuche (MKS) kann alle „Klauentiere“ befallen. Dazu gehören Schweine und Wiederkäuer wie Rinder, Schafe, Ziegen, Rot-, Dam- und Rehwild. Am schwersten betroffen sind Rinder, bei denen sich eine grippeähnliche Allgemeinerkrankung und die typischen Entzündungen an Maul und Klauen ausbilden; insbesondere junge Rinder können auch daran sterben. Bei Menschen kommt es nur äußerst selten und nach engem Tierkontakt zur Infektion, die aber immer harmlos verläuft.

Das Problem der MKS ist nicht die Schwere der Erkrankung, sondern ihre schier unglaubliche Infektiosität: Das MKS-Virus kann kilometerweit an Staubpartikeln durch die Luft fliegen oder im Regenwasser über Land schwimmen. Auch an Autos oder landwirtschaftlichen Maschinen haftender Dreck kann die Seuche von Hof zu Hof schleppen, selbst ein paar Viren an den Händen eines Menschen oder im Fell eines Hundes reichen aus. Die MKS verursachte deshalb in Europa fast jedes Jahr mehr oder minder große Epidemien bei Tieren (so genannte Epizootien), bis sie Ende der 80er Jahre durch eine große Impfkampagne ausgemerzt wurde. Seit 1991 wird in der EU nicht mehr geimpft, weil die drei europäischen Typen des MKS-Virus als ausgerottet gelten. Vereinzelte Ausbrüche entstanden seitdem nur noch durch importierte MKS-Viren, wie etwa den gefürchteten Typ Pan-Asia, der auch die britische Epizootie von 2001 verursachte.

Wo kam das jetzt in Südengland ausgebrochene Virus also her? Versagten die Kontrollen bei den Viehimporten? Oder hat etwa ein Reisender aus irgendeinem fernen Land verseuchten Mist nach Surrey geschleppt?

Wie es aussieht, liegt die Ursache viel näher. Das aktuelle MKS-Virus ist nämlich, so die britischen Behörden, vom Typ O1/BFS/67. Dabei handelt es sich um einen der drei europäischen Typen, die durch die Impfkampagne ausgerottet wurden. Der Virusstamm O1/BFS/67 ist seit seiner Isolierung im Jahr 1967 nie wieder bei natürlichen MKS-Ausbrüchen aufgetaucht. Dafür hat er sich aber zu einer Art weißer Labormaus der MKS-Virologen entwickelt: O1/BFS/67 ist ein beliebtes Forschungsobjekt und Referenzstamm für die Impfstoffherstellung. Zu Recht fiel der Verdacht deshalb schnell auf zwei Forschungsinstitute, die wenige Kilometer vom Ausbruch entfernt ausgerechnet mit O1/BFS/67 arbeiteten. Pikanterweise sind es ausgerechnet zwei der weltweit renommiertesten Labore für MKS: Der führende MKS-Impfstoffhersteller Merial Ltd. (ein Joint-Venture von Merck & Co. und Sanofi-Aventis) und das staatliche Institute for Animal Health, das zugleich Referenzzentrum der Weltgesundheitsorganisation für MKS ist. Beide wiesen jede Schuld entschieden von sich – auf keinen Fall sei das MKS-Virus aus ihren Sicherheitslaboren entwichen.

Das macht die Sache nur noch schlimmer: Ein eindeutiges Laborvirus, unverkennbar wie eine weiße Maus, wird direkt neben einem angeblich hoch gesicherten Laborkomplex gefunden – und die renommierten Betreiber sind nicht in der Lage, die Schwachstelle im Sicherheitssystem zu finden. Die Vorschriften zum Schutz vor biologischen Gefahren sind offenbar noch lange nicht streng genug.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.

Alexander S. Kekulé

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false