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Was WISSEN schafft: Kyoto II wird teuer

Die Klimakonferenz in Kopenhagen ist nur noch mit Geld zu retten

Kopenhagen dürfte für Barack Obama derzeit ein Reizwort sein. Sechzehn Stunden war der US-Präsident mit der Air Force One in die dänische Hauptstadt und zurück geflogen, um achteinhalb Minuten lang vor dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für Chicago zu werben. Doch Obamas Heimatstadt fiel am vergangenen Freitag bereits im ersten Wahlgang durch.

In zwei Monaten könnte für den amerikanischen Präsidenten eine weitere, mindestens ebenso schwierige Blitzreise nach Kopenhagen anstehen: Am 7. Dezember beginnt dort der Weltklimagipfel. Auf der Tagesordnung ist das Folgeabkommen des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls von 1997, mit dem die Reduktion der Treibhausgase für die kommenden Jahrzehnte festgeschrieben werden soll. In Kyoto hatten sich die größten Umweltsünder noch verweigert: Die USA zogen 2001 unter George W. Bush ihre Unterschrift zurück. Für China, Indien, Brasilien und die Schwellenländer Südostasiens gab es überhaupt keine Vorgaben.

Das Nachfolgeabkommen für Kyoto sollte eigentlich schon 2007 beim Klimagipfel von Bali verhandelt werden. Doch George W. Bush bestritt damals, dass die Erderwärmung überhaupt etwas mit der menschlichen Zivilisation zu tun habe. Damit hatten China, das unterdessen zur Kohlendioxidschleuder Nummer eins avancierte, und die anderen Schwellenländer einen guten Grund, auch nicht mitzumachen. Immerhin einigte man sich auf die „Bali Road Map“: Zwei Jahre verhandeln und dann 2009 in Kopenhagen Emissionsziele festlegen, die für alle Industrie- und Schwellenländer verbindlich sind. Doch so lange George Bush im Amt war, bewegte sich bei den Verhandlungen nichts. Auch der Klimagipfel in Posen scheiterte kläglich, er ging im November 2008 zwischen Bankenkrise und US-Präsidentschaftswahlen unter.

Dann kam Obama – und mit ihm die Hoffnung, endlich das Patt zwischen den USA und China zu beenden, das acht Jahre lang die globale Klimapolitik gelähmt hatte. Um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, lud UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im September zu einem Klimagipfel nach New York ein. Doch konkrete Zusagen gab es wieder keine. Dafür schoss sich Chinas Staatschef Hu Jintao schon mal für Kopenhagen ein: Er forderte von den USA statt präsidialer Absichtserklärungen konkrete Gesetze zur Begrenzung der Treibhausgase, sonst werde sich Peking auch diesmal keine Vorschriften machen lassen.

Doch wie es aussieht, wird die US-Delegation mit leeren Händen zum Gipfel reisen. Über Obamas ehrgeiziges Klima- und Energiegesetz wird seit Monaten gestritten, vergangene Woche konnte es erst dem Senat vorgelegt werden. Dass der bis Dezember seine Zustimmung gibt, gilt als aussichtslos.

Die Fachleute, die derzeit in Bangkok das Verhandlungsdokument formulieren sollen, sind deshalb einigermaßen ratlos. Die meisten Industrieländer haben auch die Kyoto-Ziele bereits verfehlt. Deutschland liegt zwar im Plan, doch nur wegen des Zusammenbruchs der Ostindustrie nach der Wiedervereinigung. Selbst das bescheidene Ziel, die Erderwärmung auf „nur“ zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, ist praktisch nicht mehr erreichbar.

Da die Industriestaaten ihre eigenen Versprechen nicht einhalten, gibt es für die meisten Schwellenländer nur noch ein überzeugendes Argument: Geld. Sie wollen Unterstützung für den Aufbau nachhaltiger Technologien, für den wirtschaftlichen Anschluss und für die Anpassung an die Folgen der Erderwärmung. In der EU sind maximal 15 Milliarden Euro bis 2020 im Gespräch, die Forderung an die Industriestaaten insgesamt liegen beim zehnfachen – pro Jahr.

Wenn der Grundsatz von der Gleichheit der Menschen etwas gilt, müssen die reichen Länder für ihre höheren Pro-Kopf-Emissionen bezahlen. Es ist deshalb höchste Zeit für ein angemessenes Angebot an die Schwellenländer. Das wird ohne Frage teuer, vor allem für die USA. Doch im Vergleich zu dem Preis, den eine Welt ohne Emissionsgrenzen fordert, ist es ein Schnäppchen. Und für Obama wäre es die Chance, bei seinem nächsten Besuch in Kopenhagen eine Niederlage wiedergutzumachen.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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