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Was WISSEN schafft: Meine DNA und ich

Wie wäre es mit einer Genanalyse als Geburtstagsgeschenk? Oder wollen Sie mehr über Ihre Veranlagungen erfahren? Kein Problem: Jetzt gibt es Genbanken für jedermann. Der Nutzen ist jedoch zweifelhaft.

Suchen Sie noch ein Geschenk für jemanden, der eigentlich schon alles hat? Dann wäre eine Genanalyse doch eine tolle Überraschung. Die kann man neuerdings in den Onlineshops „23andMe“, „Navigenics“ oder „deCode Genetics“ bestellen. Nach Entrichten der Vorkasse von umgerechnet 650 bis 1600 Euro bekommt der Kunde ein Röhrchen zum Einsammeln von Speichel zugeschickt. Wer seine Überraschung nicht gefährden will, kann dem zu Beschenkenden auch unauffällig ein paar Haare ausreißen. Mit dem eingeschickten Biomaterial analysieren die Firmen individuelle Merkmale des Genoms: Etwa die Veranlagung zu Diabetes, Grünem Star, Alzheimer, Asthma, Herzinfarkt, Multipler Sklerose, Glatze und Fettsucht sowie für Brust-, Dickdarm- und Prostatakrebs. Einige Anbieter liefern Tipps für Lebensführung und Ernährung gleich mit, mit Nahrungsergänzungsmitteln aus eigenem Vertrieb.

Doch das ist noch lange nicht alles, was das Genom hergibt. Besonders kreativ bei der wissenschaftlichen Ausdeutung – und wirtschaftlichen Ausbeutung – der Blaupausen des Lebens ist das Lifestyle-Internetportal „23andMe“. Unternehmensgründerin Anne Wojcicki will dem avantgardistischen Zielpublikum helfen, „die eigene genetische Information sinnvoll zu nutzen“. Neben – echten oder vermeintlichen – Veranlagungen für Krankheiten, sportliche Fähigkeiten und sonstige Eigenschaften erfahren die Mitglieder der trendigen Gen-Gemeinde auch, wer sie wirklich sind: Aus welcher Region der Erde kommen die Gene, die in mir stecken? Wo lebten meine frühen Vorfahren? Welche Hautfarbe hatten sie? Darüber hinaus lassen sich angeblich die uralten Streitfragen des Küchentisches endlich klären: Hast du die Sportlichkeit vom Vater oder von der Mutter geerbt? Bist du Frühaufsteher, weil dein Opa es war? Stammen deine blauen Augen von der Großmutter?

Schließlich soll die Gen-Community von „23andMe“ auch noch ihre Daten untereinander austauschen und vergleichen können. So lassen sich etwa ungeahnte, entfernte Verwandtschaften entdecken. Verliebte können ihre 23 Chromosomenpärchen (daher der Name der Firma) nach Gemeinsamkeiten durchsuchen – wenn das nicht romantischer ist als Familienfotos anschauen?

Medizinisch ist der Gendaten- Check-up jedoch Unsinn. Bei den im Internet feilgebotenen Dienstleistungen werden die sechs Milliarden Bausteine (Nukleotide) des menschlichen Chromosomensatzes nicht vollständig analysiert, sondern nur punktuell auf bekannte Genveränderungen, sogenannte SNPs (single nucleotide polymorphisms) untersucht. Zwar werden bei einigen genetisch mitverursachten Krankheiten, wie Dickdarmkrebs oder Asthma, bestimmte SNPs gehäuft im Erbgut gefunden. Jedoch kann daraus nicht umgekehrt geschlossen werden, der bloße Nachweis eines bestimmten SNP erhöhe das Risiko für die damit assoziierte Krankheit. Die Beobachtung, dass Streifenwagen oft an Unfallstellen anzutreffen sind, lässt ja auch nicht den Schluss zu, die Polizei erhöhe das Risiko für Verkehrsunfälle.

Aktuelle Forschungsergebnisse stellen die Aussagekraft der Hauruck-Genomanalysen vollends infrage. Seit der Entzifferung des „Buches des Lebens“ 2003 stellt sich mehr und mehr heraus, dass das Erbgut keineswegs unveränderlich ist wie die Seiten eines Buches. Vielmehr werden in den Chromosomen ständig Gene ausgeschnitten, umgedreht, versetzt oder vervielfältigt. Das SNP-Muster sagt deshalb das Schicksal eines Individuums ebenso gut vorher wie ein Horoskop.

Den Erfolg der genetischen Web-Communities dürfte das jedoch nicht aufhalten. Laut Umfragen ist unter US-Studenten das Interesse, etwas über die genetische Mitgift potenzieller Lebenspartner zu erfahren, enorm.

„23andMe“-Gründerin Wojcicki und ihr Partner überzeugten sich allerdings noch auf konventionelle Weise von den Qualitäten ihres Erbmaterials. Die blitzgescheite 34-Jährige hat einen Biologieabschluss der Eliteuniversität Yale und ist Tochter eines berühmten Physikprofessors aus Stanford. Ihr Ehemann heißt Sergei Brin: Gutaussehend, Sohn eines Mathematikprofessors, Stanford-Absolvent, Mitgründer von Google und geschätzte zehn Milliarden Euro reich.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.

Alexander S. Kekulé

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