zum Hauptinhalt

Meinung: Was Wissen schafft: Von Dinos und Menschenfressern

Das Gremium aus über zwanzig Saurier-Experten wurde mit bohrenden Fragen überschüttet: Wie gefährlich war der Tyrannosaurus rex? Wie schnell konnten Velociraptoren laufen?

Das Gremium aus über zwanzig Saurier-Experten wurde mit bohrenden Fragen überschüttet: Wie gefährlich war der Tyrannosaurus rex? Wie schnell konnten Velociraptoren laufen? Lebte der gepanzerte Triceratops als Einzelgänger oder in Herden? Welche Laute machten Brontosaurier? Wie paarten sie sich? Keine dieser Fragen ist wissenschaftlich auch nur annähernd gelöst. Doch zum Glück waren die Experten nicht zu einem paläontologischen Kongress, sondern als Berater nach Hollywood eingeladen worden.

Deshalb können alle Antworten im Kino bewundert werden: "Jurassic Park III" setzt mal wieder all das in Szene, was Paläontologen und Paläobiologen in mühevoller Detektivarbeit eigentlich eines Tages erst noch herausbekommen wollen. Die Beraterverträge mit der Filmindustrie sind kein schlechtes Zubrot für die Jura-Forscher, deren Ergebnisse unter den Naturwissenschaften sonst eher zu den wirtschaftlichen Ladenhütern gehören. Da überrascht es nicht, dass sich auch Wissenschaftler vom Dino-Fieber anstecken lassen und ihren Forschungsobjekten mehr Details andichten, als aus den Skelettfunden tatsächlich zu erkennen sind. So ist nicht einmal geklärt, ob T. rex, das gefährlichste aller Leinwandmonster des Jura-Zoos, je einem anderen Tier ein Haar krümmte: Wegen seiner kurzen Arme und der für das Festhalten der Beute zu großen, weit auseinander stehenden Zähne nehmen viele an, dass es sich um einen Aasfresser handelte. Auch deuten neuere Analysen darauf hin, dass der König der Kreidezeit kein unnahbarer Einzelgänger war, sondern mit Artgenossen in Herden umherzog.

Nun wurde ein weiteres, jedem Kind vertrautes Merkmal der Film-Saurier als Spekulation entlarvt: die Drachennase. Seit Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die Paläontologen an, Dinosaurier hätten nach oben gerichtete, weit hinten liegende Nasenlöcher mit fleischigem Randwulst. Die als Schnorchel einsetzbaren Nasenlöcher passten zu der früheren Vorstellung, die Urviecher müssten wegen ihres Gewichts von bis zu 80 Tonnen in Sümpfen gelebt haben. Obwohl man bald wusste, dass Dinos echte Landtiere waren, konnte sich die Nasenlöcher-Mär lange halten - die an feuerspeiende Drachen erinnernden Monster-Nasen waren bei Malern, Filmemachern und Dino-Fans einfach zu erfolgreich. Nach jetzt veröffentlichten Erkenntnissen hatten T. rex & Co. kleine, vorne liegende Nasenlöcher wie die heutigen Echsen - ob die paläochirurgisch korrigierten Stupsnasen je die Leinwand erobern werden, darf bezweifelt werden.

In kaum einer Wissenschaft sind Fakt und Fiktion so eng verflochten. Zwar finanziert der Dino-Hype indirekt einen Teil der Studien - für gut erhaltene Saurierskelette zahlen Sammler und Museen mehrere Millionen Dollar. Gerade dadurch entgingen der Forschung jedoch wichtige Informationen: Auf der Suche nach spektakulär vermarktbaren, möglichst vollständigen Skeletten ließen die Wissenschaftler beschädigte Knochensplitter lange links liegen. Doch gerade diese Bruchstücke stammen oft von getöteten Sauriern und tragen Zahnspuren, aus denen auf einen Rivalenkampf oder die Fressgewohnheiten eines Räubers geschlossen werden kann. Im Schatten spektakulärer Großfunde wurde die systematische Untersuchung solcher "Spurenfossilien" erst vor einigen Jahren begonnen. Dieser Forschungszweig, zu dessen Objekten auch so aufregende Dinge wie versteinerte Kotballen gehören, dürfte auch die alte Streitfrage klären, ob T. rex ein aktiver Jäger war oder nicht - selbst auf die Gefahr hin, dass Hollywood dem Star-Killer den Vertrag kündigt.

Alexander S. KekulÉ

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false