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Meinung: Was Wissen schafft: Zwickmühle für Erfinder

Bisweilen sind erhörte Gebete das Schlimmste, was einem passieren konnte. Mehr als ein Jahrzehnt hat die Biotech-Lobby dafür gekämpft, dass Gene und Klone genauso durch Patente geschützt werden können wie Gartenscheren und Kartonfaltmaschinen.

Bisweilen sind erhörte Gebete das Schlimmste, was einem passieren konnte. Mehr als ein Jahrzehnt hat die Biotech-Lobby dafür gekämpft, dass Gene und Klone genauso durch Patente geschützt werden können wie Gartenscheren und Kartonfaltmaschinen. Nun ist es endlich soweit: Das Kabinett hat vergangenen Mittwoch das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen" gebilligt, noch im Dezember soll es in den Bundestag kommen. Damit wird die ethisch umstrittene europäische Biopatent-Richtlinie, die bereits seit Juli 1998 in Kraft ist, in nationales Recht umgesetzt.

Wer denkt, damit seien alle Probleme beseitigt, irrt jedoch. Mit der Gesetzesnovelle werden bei uns amerikanische Verhältnisse hergestellt: Dort sind es nicht Greenpeace und die Grünen, sondern die Gentechnik-Firmen selbst, die sich gegenseitig an der Forschung hindern. Das Patentgesetz hat sich in den USA zur schärfsten Waffe gegen den biotechnologischen Fortschritt entwickelt. Eigentlich klingt alles so einfach: Wer mehrere hundert Millionen Dollar in die Entwicklung eines Medikamentes gesteckt hat, soll durch Patentierung eine Zeit lang vor Nachahmern geschützt werden - andernfalls würden sich derartige Investitionen nicht lohnen, der medizinische Fortschritt käme zum Erliegen. Das Problem besteht jedoch darin, dass ähnliche Erfindungen durch ein vergebenes Patent nicht behindert werden dürfen, sonst könnten wenige Patente ein ganzes Forschungsgebiet lahm legen. Genau das droht jedoch derzeit in der Biotechnologie einzutreten.

Damit eine Erfindung patentierbar ist, muss sie erstens eine gewisse "Erfindungshöhe" haben, das heißt deutlich über dem für Fachleute Trivialen liegen. Dröge Stammtisch-Ideen ("dreieckiger Bierdeckel") oder reine Entdeckungen, etwa Tierarten oder Gene, können deshalb nicht zum Patent angemeldet werden. Zweitens muss eine konkrete Anwendung beschrieben werden, auf die sich das Patent bezieht. Um entdeckte Gene dennoch zu patentieren, begeben sich Biotech-Firmen oft weit in das Reich der Pseudowissenschaften: Sie präsentieren ein neues Gen und spekulieren aufgrund ungesicherter Daten über mögliche Anwendungen. Diese werden so breit formuliert, dass von Infektionskrankheiten über Krebs bis Gentherapie möglichst alles eingeschlossen ist. Insbesondere in den USA, wo der wirtschaftliche Nutzen einer Erfindung gegen mangelnde Erfindungshöhe in die Waagschale geworfen werden kann, sind auf diese Weise zahlreiche Patente durchgekommen. Selbst wenn sich die meisten vermuteten Anwendungen als Irrtum herausstellen, können mit diesen gefürchteten "umbrella patents" ganze Biotech-Firmen ausgeschaltet werden.

Der bisher spektakulärste Fall ist derzeit in Boston vor Gericht. Amgen, die größte Biotech-Firma der Welt, hat den kleinen Start-up Transkaryotic Therapies (TKT) verklagt. Amgen hat in den 80er Jahren das Hormon Erythropoietin (EPO) isoliert und kloniert, das normalerweise in der Niere produziert wird und die Bildung der roten Blutkörperchen anregt. Das horrend teuer verkaufte Hormon, das gegen Blutarmut bei Nierenkrankheiten oder Krebs eingesetzt wird, setzt jährlich vier Milliarden Dollar um. TKT hat nun ein anderes, eleganteres Verfahren zur Herstellung von EPO entwickelt. Bei diesem muss das Gen weder aus der Zelle isoliert noch kloniert werden. Stattdessen wird das EPO-Gen normaler Zellen im Labor durch einen gentechnischen Trick so stark stimuliert, dass die Zellen große Mengen des Hormons produzieren. Die raffinierte "Gen-Aktivierungstechnik" ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem altmodischen Amgen-Verfahren, EPO ist ein natürliches Hormon und damit eigentlich nicht patentierbar. Trotzdem greift Amgens umbrella patent, weil dort vorsorglich jede "andere gentechnische Herstellung" von EPO mit geschützt wurde.

Bio-Patente fördern die Forschung nur dann, wenn sie gewissenhaft geprüft und auf die eigentliche Erfindung beschränkt werden, das heißt keine Patentierung von bloßen Genen zulassen. Die Devise "Kein Patent auf Leben!" ist daher durchaus im Sinne der Biotechnologie.

Alexander S. Kekulé

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