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Meinung: Weder Rosen noch Orangen

Von Elke Windisch

Zustimmungsraten, wie sie sich Alexander Lukaschenko in Weißrussland für eine dritte Amtszeit genehmigte, erinnern fatal an Zentralasien oder die Südkaukasus-Republik Aserbaidschan, wo weiland Präsident Haydar Alijew schon 1993 die Richtung für einen flächendeckenden Wählerbetrug vorgab: Wichtig sei nicht wie gewählt, sondern wie gezählt werde. Doch selbst bei transparenten, freien und fairen Wahlen – ein Klassenziel, das Weißrussland erneut um Längen verfehlte –, reicht es nicht für eine Revolution wie in Georgien oder der Ukraine. Allein die Brutalität der Macht erklärt den schwachen Rückhalt der Opposition bei den Massen nicht. Interne Querelen, Profilierungsneurosen uncharismatischer Führer und programmatische Defizite wiegen mindestens gleich schwer. Dazu kommen taktische Fehler. So verkaufte sich Alexander Milinkewitsch als Spitzenkandidat der Opposition, wichtige Gruppen traten jedoch mit eigenen Bewerbern an. Überlegungen, unmittelbar vor dem Wahltermin alle drei Kandidaturen der Demokraten zurückzuziehen, um die Abstimmung platzen zu lassen, oder aber sich auf einen gemeinsamen Bewerber zu einigen, scheiterten am Widerstand von Milinkewitsch.

Wenig klug war auch, dass die Opposition schon von Fälschungen sprach, bevor erste Ergebnisse vorlagen. Ebenso, dass weder der unbeholfene Milinkewitsch noch der eloquentere und führungsstärkere Kosulin den Kontakt mit Moskau suchten, um sich dort als Alternative für Lukaschenko ins Gespräch zu bringen. Stattdessen strapazierten beide die Integration in Nato und EU: Ziele, die angesichts durchwachsener Erfolge bei den benachbarten Neumitgliedern Polen und Litauen bereits viel an Charme verloren haben. Unfreiwillig verprellten sie dadurch jene Klientel, die Lukaschenko nur wegen der geplanten Fusion mit Russland den Rücken stärkt: Gut die Hälfte der Stimmberechtigten. Der Westen, der weitere politische Sanktionen gegen Europas letzten Diktator erwägt, wäre daher gut beraten, die Situation emotionslos zu analysieren. Zum einen mit Rücksicht auf die Empfindlichkeiten von Gaslieferant Russland. Zum anderen, um nicht wie in Afghanistan, Irak oder Kirgisien der Opposition ein Potenzial an politischem Gestaltungswillen anzudichten, den diese erst unter Beweis stellen muss.

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