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Weihnachten: Liebe – kann sein

Das wird keine Predigt, keine Ansprache, das ist nur ein Wunsch. Ein kleiner, seltsamer: dass wir uns für die Dauer dieses Artikels gemeinsam vergegenwärtigen, was das für ein Fest ist, das wir heute feiern. Oder, was bedauerlich wäre, nicht. Dass wir aber wissen, worum es geht: um das Fest der LIEBE. Denn wenn wir das nicht tun, könnten wir auf ewig etwas vermissen.

Was für ein Wort: Liebe. Es zu denken, ist schon aus der Zeit gefallen. Wir sind doch hier nicht bei Hedwig Courths-Mahler. Es auszusprechen, ist ein Wagnis. Selbst heute. Liebe? Ist doch ein Anachronismus. Einer, der das tut, der wäre – Gott bewahre, nicht kühl genug fürs Geschäft, gleich welches. Oder amerikanischer Präsident. Nur wie verträgt sich das damit, dass ein Wälzer, ein dickes Buch über die Liebe, das unordentliche Gefühl, ein Bestseller wird? Weil viele schon etwas vermissen.

Schauen wir also auf die uns Nächsten, und dann sehen wir, lesen wir, hören wir: Ist nicht Kommunikation oft entweder der Ausdruck von oder der Schrei nach Liebe? Liebe ist nicht nur das, was tränenerstickte Stimmen im Melodram durchs Fernsehen vorführen. Das Synthetische gibt nur eine Ahnung. Aber immerhin eine Ahnung. Darum die Einschaltquoten. Doch Liebe ist mehr als ein Gefühl.

Liebe ist: eine Geisteshaltung, eine ethische Grundhaltung. Liebe ist: Paradebeispiel für eine auch rational begründete Moralität. Liebe als Wegweiser abseits des Egoismus. Liebe als Grundhaltung mit den Begriffen Achtung und Würde, verknüpft mit der allgemein menschlichen „Pflicht zur anteilnehmenden Empfindung“ mit dem anderen. Liebe als „Idee der wechselseitigen Anerkennung“, wie der Philosoph sagt, was ihr das moralische Fundament verschafft. Liebe ist alles andere als ein anderer Begriff für Irrationalität.

Einen Versuch ist es wert, oder? Sei er auch unvollkommen, heute würde er womöglich verziehen. Wir reden hier nicht vom Trieb. Nicht nur. Wir reden vom Versuch des Selbstlosen, Fördernden, Positiven. Von der Gelegenheit zu inniger Verbundenheit. Das Tun zeigt das Wollen: Jeder kann seinen Nächsten lieben wie sich selbst. Er kann es zumindest versuchen. Er kann den Nächsten auch bekriegen wie keinen Zweiten, gerade weil es oft die einander Nächsten sind, die das tun. Aber keiner muss das tun.

Und niemand muss an Gott glauben, um das, was in der Bibel steht, diesem großen Geschichtsbuch, dennoch als Hinweis zu lesen: „Gebt alles, was ihr schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre. Bleibt niemand etwas schuldig. Nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.“ Übrigens, Gesetze danach zu machen, wäre auch nicht irrational, nur ethisch.

Zeitliche Umstände ersetzen das Prinzipielle nicht. Die Beschaffenheit des Weges ersetzt den Wegweiser nicht. Wer lässt sich inspirieren davon, lässt sich tragen von der Erkenntnis, worum es bei der Liebe geht? Dem leuchtenden Stern zu folgen und zu lernen, das dem Menschen Wesentliche vom weniger Wesentlichen zu scheiden, bleibt hierzulande wenig Zeit. Wir menschliche Wesen sind Beziehungswesen: Wer liebt mich, wen liebe ich, diese Fragen, jeden Morgen gestellt, können darum ein Wegweiser sein. Und Wissen heißt Tun. Die Chance, wir selbst zu werden, in wechselseitiger Anerkennung, haben wir täglich und besonders – heute.

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