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Meinung: Weiße Kittel - weiße Westen

„,Korruptives Verhalten’“ ist straffrei“ vom 23. Juni Der Artikel beleuchtet besser als in anderen Zeitungen die verschiedenen Aspekte des BGH-Urteils, nennt auch den wichtigsten, dass Ärzte halt nicht Beauftragte oder Büttel der Krankenkassen sind, sondern als Freiberufler unabhängige Anwälte ihrer Patienten.

„,Korruptives Verhalten’“ ist straffrei“

vom 23. Juni

Der Artikel beleuchtet besser als in anderen Zeitungen die verschiedenen Aspekte des BGH-Urteils, nennt auch den wichtigsten, dass Ärzte halt nicht Beauftragte oder Büttel der Krankenkassen sind, sondern als Freiberufler unabhängige Anwälte ihrer Patienten. Nur ist leicht am Ende zu überlesen, dass eigentlich kein Gesetzeshandlungsbedarf besteht, weil bereits das Berufs- und Sozialrecht Geschenke annehmen oder Vorteilsnahme verbieten.

Die Schätzungen von 18 Milliarden Schaden im Gesundheitswesen durch Korruption dürften völlig neben der Realität liegen. Eine jüngst veröffentlichte Umfrage im Kassenauftrag beruhte auf der Frage, können Sie sich diesbezügliche Korruption vorstellen?, zeigte also ein reines Meinungsbild, keinen Sachverhalt. Und die politisch gewünschten engeren Kooperationen zur Verbesserung der Patientenversorgung dürften auch nicht unter den Bereich Korruptionsverdacht fallen.

Dr. med. Thomas Scholz, Berlin-Tegel

Wenn Hartmannbund-Chef Klaus Reinhardt in dem Urteil einen „Sieg für die ärztliche Freiberuflichkeit“ sieht, dann schäme ich mich dafür. Auch im Namen all meiner Standeskolleginnen und -kollegen, denen ein ethisch und gesellschaftspolitisch korrektes Arbeiten wichtiger ist als persönliche Raffgier. Lobbyisten, die den Eindruck erwecken, Ärzte seien an einer Straffreiheit für Pharma-Provisionszahlungen interessiert, vertreten sicherlich nicht meine Meinung und ich frage mich, welchen zweifelhaften Einflüssen sie selbst unterliegen. Die Argumente für den Schutz unserer Gesellschaft vor korrupten und raffgierigen Ärzten sind mindestens genauso schwerwiegend wie bei „Angestellten und Funktionsträgern öffentlicher Behörden“.

Dr. med. Alexander Lavinius Ungur, Berlin-Mitte

Leider ist in der Berichterstattung der Eindruck entstanden, Arzneimittelhersteller dürften Ärzte mit Geld, Geschenken und Vorteilen zu einer Änderung ihres Verordnungsverhaltens animieren. Diese Darstellung ist falsch, denn die ärztliche Berufsordnung verbietet Ärzten klar und eindeutig die Annahme von Geschenken. Solche Vorteilsnahmen sind berufsrechtlich sanktioniert und können zu empfindlichen Strafen – bis hin zum Antrag auf Ruhen der Approbation führen. Der Deutsche Ärztetag 2011 in Kiel hat diese berufsrechtlichen Vorgaben noch einmal konkretisiert und klare Vorgaben für den Umgang mit Anwendungsbeobachtungen beschlossen. So muss die Vergütung von Anwendungsbeobachtungen nach der MBO der erbrachten Leistung entsprechen. Die Verträge über die Zusammenarbeit sind schriftlich abzuschließen und sollen der Ärztekammer vorgelegt werden.

Gleichwohl begrüßt die Ärzteschaft das Urteil des BGH, weil es einen ganz anderen Sachverhalt verhindert hat. Würden Ärzte rechtlich als „Beauftragte“ der Krankenkassen gelten, beträfe dies nicht nur den vergleichsweise kleinen Bereich der Verordnungen, sondern das gesamte ärztliche Handeln. Dann müssten Ärzte nicht nur beim Verschreiben von Arzneimitteln, sondern auch bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und vielen weiteren ärztlichen Entscheidungen die materiellen Interessen der Krankenkassen gegen die medizinischen Belange des Patienten abgleichen. Hinzu kommt, dass der Behandlungsvertrag nur zwischen Arzt und Patient geschlossen wird.

Wäre das Urteil anders ausgefallen, stünden Ärzte vor gravierenden medizinischen und ethischen Konflikten. Und Patienten hätten keinerlei Gewissheit mehr gehabt, dass der Arzt ausschließlich in ihrem Interesse handelt. In der Folge hätte nicht nur das Patient- Arzt-Verhältnis massiv Schaden genommen, auch die Therapiefreiheit des Arztes und damit der Status der ärztlichen Freiberuflichkeit wären akut bedroht worden. Dies hat der Bundesgerichtshof erkannt und deswegen klar im Sinne der Patienten geurteilt.

Alexander Dückers, Pressesprecher

der deutschen Ärzteschaft/Bundesärztekammer, Berlin-Charlottenburg

Nötig finde ich dringend eine Transparenz für den Patienten, mit welchen Pharmafirmen „ihr“ Arzt zusammenarbeitet. Diese Information sollte unbedingt im Wartezimmer aushängen.

Da ich ein Gegner von immer mehr Gesetzen und Bestrafungen bin, stelle ich mir vor, dass die kassenärztliche Vereinigung vorschreiben könnte, dass die Zusammenarbeit der Ärzte mit der Pharmaindustrie transparent für den Patienten sein muss. Die Ärzte sollen frei sein, aber die Patienten sollen sich auch frei entscheiden können.

Monika Müller, Berlin-Heiligensee

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