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Meinung: Wellnesstage in Brüssel

Von Albrecht Meier

Nachdem Franzosen und Niederländer im vergangenen Jahr die EU-Verfassung abgelehnt hatten, wurde in Europa eine „Denkpause“ eingeläutet. Pause hört sich positiv an. Man kann mal abschalten, was anderes tun, sich entspannen. Vielleicht entstehen auch positive Gedanken bei den Europäern, die im Moment nicht wissen, was und vor allem wie viel sie miteinander anfangen sollen.

Dumm ist nur, dass es in der Politik eigentlich keine Pausen gibt. Ein halbes Jahr dauert nun schon die europäische Denkpause, und es wird wohl noch ein halbes Jahr vergehen, bevor die ersten Skizzen vorliegen: bitte hier entlang, Richtung Ausgang, raus aus der EU-Verfassungskrise. In der Zwischenzeit steht aber die Welt leider nicht still. Hafenarbeiter streiken, weil sie Angst um ihre Arbeitsplätze haben. In Frankreich gehen Kleinhandwerker auf die Barrikaden, weil sie auch in Zukunft von niedrigen Mehrwertsteuersätzen profitieren wollen.

Auf den Streik der Hafenarbeiter hat das Europaparlament reagiert, indem es eine – tatsächlich überzogene – Richtlinie kippte. Beim Streit um die Mehrwertsteuersätze, die innerhalb der EU gelten sollen, werden sich vor allem Deutschland und Frankreich noch einigen müssen. Und dann ist da noch die Dienstleistungsrichtlinie, die schon im vergangenen Jahr Proteststürme auslöste. Im Februar will sich das Europaparlament damit befassen. Bei all diesen Themen zeichnet sich eine Linie in der gegenwärtigen EU-Politik ab: Möglichst soll nichts beschlossen werden, was die ohnehin schon verunsicherten Bürger noch mehr gegen „Brüssel“ aufbringt. Sonst, so geht die Rechnung von Blair, Chirac oder Merkel, würde es am Ende der Denkpause noch schwieriger, die Menschen für eine wie auch immer geartete Verfassung wieder zu gewinnen.

Aus diesem Grund hütet sich auch der amtierende EU-Ratspräsident, Österreichs Regierungschef Wolfgang Schüssel, das Wort „Europasteuer“ in den Mund zu nehmen. Dabei wäre eine solche Steuer durchaus sinnvoll. Sie würde künftig dem Gezerre um Europas Finanzen, wie es jetzt vom Europaparlament mit völlig übertriebenem Theaterdonner fortgesetzt wird, ein Ende setzen. Aber auch hier ist das oberste Gebot: Neue Vorschläge dürfen bitteschön nicht nach einer Mehrbelastung der Bürger aussehen, weil sie möglicherweise dem Ansehen der EU schaden könnten.

Ob so das Projekt der EU-Verfassung zu retten ist? Es scheint, als habe Europas Denkpause gerade erst richtig begonnen.

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