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Meinung: Wende gegen Bush

Von Christoph von Marschall

Es gibt noch Richter in Amerika, die dieser Regierung in den Arm fallen. Präsident Bush hat zwar gerade erst zwei Neue ernannt, um den Supreme Court konservativer zu machen. Aber auch in dieser Zusammensetzung sagt die Mehrheit: Bush hat sich Vollmachten angemaßt, die ihm nicht zustehen. Wie ein kleiner Diktator habe er die Gesetze und das Parlament umgangen. Seine Militärtribunale für die Terrorverdächtigen in Guantanamo sind rechtswidrig. Auch in dem exterritorialen Gefängnis auf Kuba gelten amerikanisches Recht und internationale Abkommen wie die Genfer Konvention. Für Bush ist es ein Schlag ins Gesicht. Die Welt darf ein bisschen aufatmen: Die „checks and balances“ der Verfassung beginnen zu greifen.

Doch beim Blick auf die praktischen Folgen dieses Urteils wird es kompliziert. Wird Guantanamo geschlossen? Nein. Bekommen die Gefangenen ganz normale Strafprozesse wie jeder andere Angeklagte auch? Nein. Ändert sich überhaupt etwas am Alltag in Guantanamo? Vorerst nein. Es kann sogar sein, dass die Sondertribunale, die der Supreme Court verboten hat, doch wieder eingeführt werden – per Beschluss des Kongresses, in dem Bushs Republikaner die Mehrheit haben. Rechtswidrig war, dass der Präsident die Tribunale am Parlament vorbei anordnete. Das klingt zum Verzweifeln. Ist das Urteil das Papier nicht wert?

Doch, ist es. Die Entscheidung ist eine Sensation, ein Wendepunkt. Für die Gefangenen bringt sie zunächst keine Linderung. Aber sie bedeutet weit Größeres: Sie verurteilt Bushs Philosophie des Kampfes gegen den Terror. Wir sind im Krieg, hat er gesagt, da heiligt der Zweck alle Mittel; manches entscheide ich allein und geheim. Nein, sagen die Richter. Auch der oberste Kriegsherr ist an Verfassung und Gesetze gebunden, an die Gewaltenteilung. Damit stehen alle Sondermaßnahmen in Frage, die Bush selbstherrlich angeordnet hat: Abhörprogramme, Banküberwachung, Folter light. Doch muss erst einer klagen, durch alle Instanzen. Man darf wieder glauben an den Rechtsstaat USA, aber seine Mühlen mahlen bedrückend langsam.

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