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Meinung: Weniger Schmidt, noch mehr Rürup

Der Kanzler will mehr Eigenverantwortung für die Gesundheit – und stellt seine Ministerin kalt

Was der Kanzler zur künftigen Gesundheitspolitik sagte, ist mindestens auf zwei Ebenen bemerkenswert. Bemerkenswert ist, dass er über die Privatisierung des Krankengeldes nachdenken, über Eigenbeteiligungen verhandeln und das Mutterschaftsgeld neu finanzieren will. Und bemerkenswert ist zweitens, dass er damit genau die Reformbereiche offen angesprochen hat, über die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bislang lieber nicht reden wollte.

Eigenbeteiligungen? Die Ministerin bevorzugt Belohnungen für Versicherte, die sich zu einer gesunden Lebensführung bekehren. Krankengeld? Da verweist die Ministerin gerne darauf, dass das die Keimzelle der heutigen Krankenversicherungen war. Wer diesen Posten aus der gesetzlichen Krankenversicherung nehme, müsse sich klar darüber sein, dass er damit auch an die Traditionen der Arbeiterbewegung rühre.

Das will der Kanzler ganz offensichtlich tun. Und außerdem hat er mit seinen Anmerkungen zur Gesundheitsreform und mit dem Angriff auf die sozialdemokratischen Traditionalisten auch klar gemacht, auf wen er bei dem Vorhaben setzt: nicht in erster Linie auf die Gesundheitsministerin, sondern auf die Reformkommission um den Ökonomen Bert Rürup, die im Mai ihre Vorschläge präsentieren soll.

Bert Rürup aber hat den Auftrag, eine nachhaltige Gesundheitsreform zu entwerfen – eine, die die Krankenkassenkosten deutlich senkt und nicht bloß stabilisierend wirkt. Und dafür reichen die Kanzlerworte noch lange nicht: Rund zehn Milliarden Euro würde ein Sparpaket aus Privatisierung des Krankengeldes und Mutterschutz insgesamt bringen. Damit könnte gerade einmal etwas mehr als der drohende Beitragsanstieg zum Jahresende abgewendet werden. Passieren aber soll ja mehr: Unter 13 Prozent des Versicherungsbeitrags soll die Krankenversicherung bald sinken. Das ist die Vorgabe der Bundesregierung. Das heißt, dass nicht zehn, sondern mindestens zwanzig Milliarden Euro gespart werden müssen.

Bei der Gesundheitsreform geht es aber nicht nur um das Zusammenrechnen von einzelnen Kostenblöcken. Es geht um die Frage , ob der Kanzler – bei all dem, was wirklich mutig ist in dieser Rede – wirklich die ganze Wahrheit angekündigt hat. Was, wenn die Rürup-Kommission im Mai empfehlen muss, mindestens einen der beiden anderen großen Bereiche der Gesundheitspolitik zusätzlich anzupacken? Nämlich doch bei der Zahnbehandlung zu sparen. Oder bei den privaten Unfällen? Dann hat der Kanzler wieder ein Problem. Und dann wird es ihm noch schwerer fallen, im eigenen Lager Zustimmung für seine Ideen zu finden.

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