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Meinung: Wenn Schulen Lehrer backen könnten

„Dauerkranke Lehrer kosten jährlich 50 Millionen Euro“ vom 29. März Es gibt zwei verschiedene Wege, das beschriebene Phänomen zu bewerten.

„Dauerkranke Lehrer kosten jährlich

50 Millionen Euro“ vom 29. März

Es gibt zwei verschiedene Wege, das beschriebene Phänomen zu bewerten. Die einen, dies sind Interessierte wie Frau Vieth-Entus, sehen die vielen dauerkranken Lehrer als eine direkte Folge der übermäßigen Privilegierung der verbeamteten Lehrer. Natürlich kann man es sich so zurechtlegen. Eine allgemeine permanente Stigmatisierung von Beamten im Allgemeinen und Lehrern im Besonderen ist ohnehin geübte Praxis in der Öffentlichkeit. Insofern wird man sich auch einer großen Zustimmung sicher sein können. Allein, gerecht wird man dem Thema damit nicht.

Denn es gibt auch einen zweiten, der Realität entsprechenden Weg der Bewertung. Und diese Art der Bewertung nehmen die vor, die die Gegebenheiten am eigenen Leib spüren: Die Lehrer/-innen. Denn sie wissen, was in der Öffentlichkeit zumindest teilweise verschwiegen wird: Die Arbeitsbedingungen für Lehrer wurden in den Jahren der rot-roten Regierung drastisch verschlechtert. Die Arbeitszeit wurde massiv erhöht, die Klassenfrequenzen wurden erhöht, dringend nötige Altersermäßigungen wurden gestrichen, der Versetzungsdruck wurde bewusst verschärft. Die Tatsache immer schwieriger zu unterrichtender und auch gewaltbereiter Schüler und damit steigende Stressbelastung sei nur nebenbei erwähnt. Parallel dazu wurden die Gehälter der verbeamteten Lehrer nominal massiv gesenkt – dies, obwohl jeder fast täglich über Preissteigerungen in der Zeitung lesen kann. Die Wertschätzung zum 25-jährigen Dienstjubiläum zum Beispiel drückt der Arbeitgeber in einem Brief aus, in dem er dem Beamten mitteilt, dass er nichts erhält.

Die Aufzählung derartiger „Privilegien“ ließe sich mühelos fortführen. Der Bereich Schule wird seit vielen Jahren als Haushaltssanierungssteinbruch missbraucht. Die Lehrer in dieser Stadt werden rücksichtslos auf Verschleiß gefahren! Und wenn sie verschlissen sind, gibt man sich erstaunt.

Der Gipfel ist jedoch, wenn man nun zum wiederholten Male kostspielige Untersuchungen in Auftrag gibt, um die Gründe des hohen Krankenstandes herauszubekommen. Das Ziel solcher Untersuchungen dient nur der Verschleierung der genannten Tatsachen.

Martin Pötsch, Berlin-Lichtenrade

Nicht nur die Überalterung der Berliner Lehrerschaft ist für den drastischen Anstieg von dauererkrankten Lehrern verantwortlich, sondern auch der übermäßige Reformeifer der letzten Jahre. Und dessen natürlich kostenneutrale, unvorbereitete Umsetzung, hat zu einer enormen Arbeitsverdichtung und damit zu einer Überlastung der Berliner Lehrerschaft geführt. Verschärfend hinzu kam der Wegfall der Altersermäßigungsstunden für verbeamtete Lehrer und der Altersteilzeitmodelle.

Der Rückzug der Senatsbildungsverwaltung aus der Verantwortung für eine 103-prozentige Ausstattung ( inklusive Vertretungsreserve) der Berliner Schule durch die Einführung der Personalkostenbudgetierungsmittel, mit deren Hilfe Schulleitungen Vertretungslehrer befristet einstellen können, führten zu erhöhtem Unterrichtsausfall. Auch Schulleitungen können sich keine ausgebildeten Lehrervertretungskräfte backen, wenn der Arbeitsmarkt leer gefegt ist.

Auch hier ist die Senatsschulverwaltung zumindest mitverantwortlich, da sie seit Jahren flexible Einstellungstermine für Referendare verweigert hat. Viele der jungen Leute mussten monatelang, manchmal jahrelang auf ein Referendariat warten, haben sich deshalb beruflich umorientiert und stehen dem Schulbereich nicht mehr zur Verfügung. Die Nichtverbeamtung junger Lehrkräfte, die die Betroffenen besonders Herrn Wowereit zu verdanken haben, führt zur Abwanderung vieler junger Lehrerinnen und Lehrer, die in Berlin für teures Geld ausgebildet wurden, in andere Bundesländer und verschärft damit die Überalterung der Lehrerkollegien. Kurioserweise übernimmt Berlin Lehrer im Beamtenverhältnis aus anderen Bundesländern und zahlt später ihre Pensionen.

Gerade der Verband Bildung und Erziehung sowie der Philologenverband Berlin-Brandenburg haben diese Entwicklung vorausgesehen und die Verbeamtung der Lehrkräfte, die Wiedereinführung der Alterszeitmodelle ( Linear- oder Blockmodell) sowie Altersermäßigungsstunden eingefordert. Die Verwehrung der Altersermäßigungsstunden für beamtete Lehrer ist vor allem im Rahmen der Fürsorgepflicht empörend, weil sie Lehrkräften im Angestelltenverhältnis gewährt werden.

Heidrun Quandt, Verband Bildung und Erziehung, Berlin-Neukölln

Was für eindrucksvolle Zahlen, was für ein Skandal!

Der Krankenstand steigt, 700 Betroffene sind länger als ein Jahr krank, und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft setzt sich dafür ein, dass Altersteilzeit und- ermäßigungen gewährt werden, um den Pädagogen das Durchhalten zu erleichtern. Wie angenehm für die Pädagogen, wenn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erfolgreich sein sollte. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Privilegien kämen weitere hinzu.

Bereits schon jetzt bekommen Lehrer volle Lohnfortzahlung, solange sie krank sind. Arbeitnehmer in anderen Berufen, Jobs, Tätigkeiten in Firmen wären unter Vorwänden längst gekündigt und könnten sich darauf einstellen, zusätzlich zu einer Mini-Frührente Hartz IV zu beantragen.

Und was für eine Zumutung aus Sicht der Lehrer, mit einer Frühpensionierung auf das volle Gehalt verzichten zu müssen. Ich frage, warum Lehrer überhaupt Ansprüche auf eine Pension haben? Warum sind sie und andere Beamte nicht im selben Rentensystem wie alle anderen Bürger auch? Was für ein uraltes und überkommenes Privileg wird da immer noch gepflegt! Wenn der Unterrichtsausfall ansteigt, kommen die Lehrer nicht mal mehr ihrem Bildungsauftrag nach. Lehrer und andere Beamte sind grundsätzlich privat krankenversichert, wie angenehm für die Beteiligten.

Was ist mit Krankenschwestern, Handwerkern, kleinen Unternehmern, Fernfahrern, allen Arbeitnehmern, die alle in ihren 50er-Lebensjahren in der Langstrecke des Berufslebens stehen und durchhalten und sich nur so kurz wie möglich krankschreiben lassen und dann wieder ihren Mann und ihre Frau stehen. Und alle setzen ein Stück weit ihre Gesundheit ein und aufs Spiel, auch weil sie eben nicht so eine komfortable Hängematte haben, die sie auffängt, sondern weil sie wissen, dass es auch einen Abgrund gibt, in den sie fallen können.

Vielleicht liest diese Zeilen ein Rechtsanwalt, der Zeit und Lust hat, gemeinsam mit mir beim Bundesgerichtshof auf gleiches Recht für alle zu klagen. Dann wäre dieser Staat endgültig bankrott. Vielleicht können aber auch den Lehrern einige Privilegien gestrichen werden, nach Ihrem Artikel könnte allein das Land Berlin schon mal 50 Millionen Euro pro Jahr sparen.

Susanne Trampe, Berlin-Schöneberg

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