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Meinung: Wenn Träume töten

Anerkennung durch Reichtum: Die Motive eines Kindermörders

Von Gerhard Mauz

RECHTSWEGE

Darüber, dass der Mensch zu allem fähig ist, kann es keine Diskussion geben. Aber immer wieder gibt es Erfahrungen, die uns lehren, dass wir das Ausmaß der Fähigkeiten des Menschen unterschätzt haben: der Fähigkeit noch Entsetzlicheres zu tun – oder zu unterlassen – als vorstellbar war.

Karin Ceballos Betancur hat dieser Zeitung die „nackte Chronik eines furchtbaren Verbrechens“ aufgeschrieben: „Sie handelt von einem Jurastudenten, der über seine Verhältnisse lebte, einem jungen Mann aus bürgerlichem Elternhaus, der sich ein Podest aus Lügen schuf, um in die Welt seiner wohlhabenden Freunde aufzusteigen. Als das angesparte Geld knapp wurde und der Boden unter seinen Füßen ins Wanken geriet, entführte und tötete er einen Jungen, um mit dem Lösegeld seinen Lebensstandard und seine Freunde halten zu können.“

Manchmal reicht zuhören

Und sie zitiert einen Satz des Täters, der sich gerade vor dem Frankfurter Oberlandesgericht verantworten muss: „Wenn ich jemanden zum Reden gehabt hätte wie meinen Verteidiger, wäre das alles nicht passiert." Der Verteidiger, der hochangesehene Rechtsanwalt Hans Ulrich Endres, soll nach diesem Satz die Hände vors Gesicht geschlagen und minutenlang seine Augen verborgen haben.

Der Verteidiger von Magnus G., des Mörders von Jakob von Metzler, kennt die Umstände dieser Tat wahrscheinlich genauer, als man je erfahren wird. Doch wieder einmal, die Rechtsanwälte kennen das, sind sie zu spät angesprochen und hinzugezogen worden.

Und vielleicht gibt es etwas, was diese fürchterliche Geschichte lehrt: Es kann Situationen geben, in denen wir nicht darauf warten dürfen, angesprochen zu werden, sondern von uns aus ein Gespräch wagen müssen.

Situationen, in denen wir kein Schweigen hinnehmen dürfen. Es darf nicht so weit gehen, wie geschehen, dass das Gespräch mit Drohungen erzwungen wird. Der das Gespräch Suchende muss helfen wollen. Eine andere Absicht darf er nicht haben. Sie entlarvt sich von allein und die Entlarvung ist nicht reparabel. Sie macht ein Gespräch unmöglich.

Gerhard Mauz ist Autor des „Spiegel“. Foto: Dirk Reinartz

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