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Meinung: Wer mit dem Krieg spielt

Die Türkei hat es sich im Irak-Konflikt mit Amerika und mit Europa verdorben

Zehn Tage nach dem Beginn des Irak-Krieges sind die ersten Verlierer auszumachen. Die Türkei gehört unübersehbar dazu. Sie hat das Kunststück fertig gebracht, es sich sowohl mit Amerika zu verderben, als auch das Misstrauen der Kriegsgegner in Europa zu wecken, auch das der Deutschen.

„Dies ist nicht unser Krieg", sagte der türkische Generalstabschef Hilmi Özkök vor einigen Tagen. Damit brachte er ein weit verbreitetes Gefühl in der Bevölkerung zum Ausdruck: Wir wollen damit nichts zu tun haben. Viele Türken sind stolz darauf, dass ihr Land den Mut hat, sich dem amerikanischen Druck zu widersetzen und die Stationierung von US-Bodentruppen zu verhindern. Selbst pro-westlich eingestellte Istanbuler begrüßen es von ganzem Herzen, dass US-Soldaten, die in der Türkei die geplante Stationierung amerikanischer Truppen zur Eröffnung der Nordfront vorbereitet hatten, unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen.

Dieser Stolz auf die Emanzipation wird noch gestärkt durch amerikanische Missgeschicke: die vom Kurs abgekommenen Raketen, die in den vergangenen Tagen im Südosten der Türkei einschlugen. Viele Bürger sehen darin allerdings zugleich eine Warnung, wie direkt ihr Land vom Krieg betroffen ist. Da stößt der Stolz auf das Nein des Parlaments zur Stationierung zusätzlicher USTruppen an Grenzen. Immer mehr Bürger begreifen, wie teuer diese Entscheidung für das Land wird. Das betrifft nicht nur die Wirtschaft, die jetzt ohne die Milliarden-Hilfen aus Washington auskommen muss.

Die türkische Irak-Politik hatte von Anfang an nur die Wahl zwischen schlechten und noch schlechteren Alternativen. Und hat bisher mit traumwandlerischer Sicherheit stets die schlechteste gewählt. Anderthalb Wochen nach Kriegsbeginn hat sich die Türkei in eine Lage manövriert, in der ihr selbst die Wahrung nachvollziehbarer Interessen im Grenzgebiet zum Nordirak als Aggression ausgelegt wird. Das hat die Türken tief verletzt: Länder wie Australien schicken ihre Soldaten um die halbe Welt, um sich an der Intervention im Irak zu beteiligen, doch wenn der unmittelbare Nachbar Türkei das versucht, steht er als Buhmann da.

Hätte sich die Türkei mit den USA geeinigt, wäre ihr die Rückendeckung der westlichen Führungsmacht bei einem begrenzten Einmarsch im Nordirak sicher gewesen.

Das lässt sich doch verstehen, dass die Türkei nicht noch einmal ein Flüchtlingsdrama wie nach dem Golf-Krieg von 1991 erleben will. Damals machten sich plötzlich 500 000 Iraker zur türkischen Grenze auf. Nun muss Ankara aber nicht nur ohne den politischen Schutz Washingtons auskommen. Sondern die USA haben sich auch noch mit den nordirakischen Kurden verbündet und sind deshalb gegen eine Aufstockung der türkischen Truppenpräsenz in der Region. Sollte die Lage im Nordirak aus türkischer Sicht außer Kontrolle geraten, könnte sich Ankara doch noch zu diesem Schritt entschließen – gegen den Willen der USA und der Europäer. Damit würde die Türkei großen Ärger mit Washington riskieren und ihre EU-Bewerbung aufs Spiel setzen.

Die Türken meinten, eine strategische Bedeutung im Irak-Konflikt zu haben, Nun stellen sie enttäuscht fest, dass sie nichts daraus gemacht haben. Und tun deshalb einfach so, als ginge sie das alles nichts an.

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