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Meinung: Wer sorgt eigentlich für die Stabilität des Euro?

„Geburtsfehler und Todsünden“ vom 30. August Ja, der Euro muss stabil sein.

„Geburtsfehler und Todsünden“ vom 30. August

Ja, der Euro muss stabil sein. Deutschland wird zur Bad Bank Europas, und alle freuen sich. Basteln wir jetzt doch erst mal den Rettungsschirm und für die Euro-Bonds wird sich dann auch noch ein Plätzchen finden. Man kann das sehr schön vergleichen mit dem Prinzip der kommunizierenden Röhren. Wir pumpen von uns was rüber, das ist ja so einfach. Und wenn es den schwachen Ländern wieder besser geht, pumpen sie halt zurück. Griechenland zum Beispiel nie. Deutschland und Frankreich puschen eine Wirtschaftsregierung, und durch die Hintertür bestimmen die mächtigen Deutschen dann plötzlich die Finanzpolitik in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal. Die nationalen Interessen werden erst mal nur zum Schein unter den Teppich gekehrt. Welches Land lässt sich im Ernstfall in seine Finanzpolitik hineinreden? Wenn Not am Mann ist, Machtverlust droht, wenn das Volk sich irgendwann den Sparirrsinn nicht mehr gefallen lässt, dann wird es den Verantwortlichen doch egal sein, was die da in Brüssel, Paris und Deutschland verlangen. Wie soll dann die Ausgabendisziplin erzwungen werden? Mit Strafzahlungen etwa? Diese werden gestundet, günstig verzinst, und Deutschland tritt dann als Zuchtmeister auf und macht sich ganz lieb? Das kann doch nicht funktionieren. Die da oben werden es schon richten und die da unten werden blechen. Aber die Diäten wurden ja rechtzeitig erhöht, kommende Inflationen sind schon mal abgepuffert. Wo bleiben eigentlich unsere nationalen Interessen? Die bestehen doch nicht nur aus Exporten und dem unablässigen Wiederholen der These, Deutschland verdiene am meisten am Euro. Ich denke, wenn man einen theoretischen Vergleich anstellte zwischen Perioden der DM-Vergangenheit mit ihrer wirtschaftlichen Volatilität und der Euro-Periode inklusive Finanzdesaster, wenn man sozusagen das vergleichende Integral schlägt über diese beiden Perioden, kommt am Ende wohl ein fast gleiches Ergebnis heraus.Dirk Butenschön, Berlin-Zehlendorf

Einen erfolgreichen Weg aus der Krise kann nur finden, wer die Ursachen verstanden hat. Hier besteht in der deutschen Debatte große Einseitigkeit. Staatsschulden standen mitnichten im Zentrum der Krisenursachen. Weltweit explodierte die Menge anlagesuchenden Kapitals durch niedrige Zinsen der Zentralbanken, wachsende soziale Ungleichheit und Staaten mit hohen Exportüberschüssen. Falsch regulierte Finanzmärkte lenkten das Kapital zu nicht zahlungsfähigen Schuldnern. In Europa explodierte entsprechend die Privatverschuldung in Portugal, Spanien, Irland und Griechenland. Als die dadurch erzeugte Immobilienpreisblase platzte, Banken gerettet wurden und die Konjunktur einbrach, stieg auch die Staatsverschuldung an. Griechenland ist hier ein Sonderfall. Das Land war schon immer hoch verschuldet und unsolide. Es hätte nicht in den Euro aufgenommen werden dürfen. Die anderen Krisenstaaten waren niedrig verschuldet und hielten die Maastricht-Kriterien besser ein als Deutschland. Das Kapital zur Finanzierung der Verschuldung sowohl der privaten wie der öffentlichen Schuldner kam oft aus Deutschland. Deutschland war es, das bei der Begründung des Euro eine Wirtschaftsregierung ablehnte und durchsetzte, den Euro mit völlig unzureichenden Regeln zu begründen. Zudem hat die Wirtschaft keines Landes mehr durch Exportüberschüsse innerhalb der Euro-Zone von der gemeinsamen Währung profitiert – insgesamt 500 Mrd. €. Zur unangenehmen Krisenwahrheit gehört also: Nicht nur die Länder am Rande Europas haben die Krise verursacht – durch unsolide Wirtschaftspolitik und nun exzessive Staatsdefizite. Wir haben unseren Teil dazu beigetragen. Der Erhalt des Euros ist also nicht nur in unserem tiefsten nationalen Interesse, wir haben nun auch die Konsequenzen unserer Wirtschaftspolitik zu tragen. Die Politik der Exportüberschüsse hat Partnerländer zu unseren Schuldnern gemacht und unsere Ersparnisse in Gefahr gebracht. Es ist also mitnichten so, dass Deutschland nun zur Bad Bank Europas würde, denn es handelt sich ja um Geld aus Deutschland, das nun bedroht ist. Die Länder an der europäischen Peripherie haben allerdings durch schlechte Wirtschaftspolitik ihre Wettbewerbsfähigkeit so weit verschlechtert, dass sie nun ihre Kosten senken müssen. Ohne eine schmerzhafte interne Abwertung können sie im Euro nicht mehr erfolgreich wirtschaften. Trotz der hohen Kosten eines solchen Kurses will die große Mehrheit der Menschen in den Euro-Ländern im Euro verbleiben. Diesen Reformprozess unterstützen wir nun richtigerweise durch die Euro-Rettungsschirme. Die Länder brauchen aber nicht nur Daumenschrauben, sondern auch eine sozial-ökologische Investitionsoffensive und sozialen Zusammenhalt. Die Vermögenden überall in Europa müssen einen größeren Teil der Krisenkosten tragen. Schließlich sollte Deutschland seine Exporterlöse mehr in Bildung, Energie- und Rohstoffeffizienz und sozialen Zusammenhalt investieren. Das würde die Importe erhöhen und den Partnerländern schneller aus der Krise helfen. Für Griechenland kommt diese Medizin jedoch zu spät. Es kann seine Schulden nicht zurückzahlen und braucht eine Umschuldung. Einfache, sichere oder gar billige Wege aus der Euro-Schuldenkrise gibt es nicht mehr. Je länger die Einseitigkeit der deutschen Eurokrisenpolitik anhält, desto schwerer und teurer wird es.

— Sven Giegold, Mitglied des EU-Parlaments, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher

der Grünen/EFA-Fraktion

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