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Meinung: Wer wird da nicht in die Luft gehen

Bei der Internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin fehlt Boeing – und ist immer dabei

Auf den ersten Blick wirkt das wie eine „Grüne Woche“ der Lüfte. Tausende von Menschen wälzen sich in Horden von Stand zu Stand, sammeln bunt bedrucktes Papier und staunen Ahh! und Ohh! Jahrmarkt, Volksbelustigung und Kindergaudi. Aber so wie die große, alljährliche Landwirtschaftsausstellung in Berlin nicht nur Synonym für „Essen und Trinken“ ist, sondern der Testmarkt für die Branche, hat auch die Internationale Luftfahrtausstellung in Schönefeld, die ILA, einen gewichtigen wirtschaftlichen Hintergrund.

Hier präsentiert sich alle zwei Jahre die gesamte europäische Luft- und Raumfahrtindustrie, hier werden Aufsehen erregende (freilich lange vorher ausgehandelte) Geschäftsabschlüsse bekannt gegeben, wird das breite Publikum begeistert und für Nachwuchs geworben. Die beiden letzten Positionen sind bedeutender, als man glaubt. Die Luft- und Raumfahrt kommt als extrem forschungsintensive Branche ohne öffentliche Fördermittel kaum aus – Airbus gäbe es nicht ohne europäische, staatliche Anschubfinanzierung. Vom Sinn dieser Subventionen kann man auf einer Luftfahrtschau wie der ILA zumindest emotional direkt oder indirekt über die Medien Millionen Menschen überzeugen.

Auch das Nachwuchsproblem ist brennend. Die größte Wachstumsbremse der europäischen Luftfahrtindustrie sind inzwischen nämlich nicht fehlende Aufträge – die Branche boomt wie nie zuvor – sondern der Mangel an Ingenieuren. Deshalb wird auf der ILA unter Jugendlichen ganz gezielt für das Studium der Ingenieurwissenschaften geworben. Und wenn demnächst Airbusmaschinen des Typs A 320 in Russland zu Frachtflugzeugen umgebaut werden und in China die Endmontage des A 320 anlaufen könnte, nicht nur wegen der besseren Marktchancen, sondern weil es in beiden Ländern gut ausgebildete und Beschäftigung suchende Ingenieure gibt.

Die vermutlich spektakulären Showflüge des gigantischen A 380 täuschen nur den Laien darüber hinweg, dass Airbus ein massives Konkurrenzproblem hat. Der große Mitbewerber Boeing ist traditionell in Schönefeld nicht präsent, und dennoch ist er immer dabei. Der Airbus-Vorstand hat gerade einräumen müssen, dass seine Neuentwicklung vom Typ A 350 dem amerikanischen Projekt „Dreamliner“, der Boeing 787, offenbar hoffnungslos hinterherhängt. Die Airlines, die traditionell auf Airbus setzen, haben die Europäer praktisch gezwungen, ihr Konzept komplett zu überarbeiten. Man spricht von einem neuen Rumpf und neuen Flügeln – also von einem neuen Flugzeug, dessen Entwicklung Milliarden kosten wird.

Darüber werden sich 230 000 Besucher, die bis zum Sonntagabend erwartet werden, weniger Gedanken machen als darüber, ob die nächste ILA, 2008, auch in Schönefeld stattfindet oder, ob sie ein Opfer des Flughafenumbaus wird. So wichtig der neue Airport für die Region ist, so fatal wäre eine Unterbrechung des Messezyklus. Denn einmal verschoben, hieße vermutlich: für immer weg.

Gerd Appenzeller

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