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Die FDP neigt dazu, ihre Vorsitzenden zu meucheln. Jetzt steht Guido Westerwelle offenbar auf der Abschussliste.

© dpa

Westerwelle: Der Kaiser ist nackt

Guido Westerwelle wird zum "Klotz am Bein" ausgerechnet auf dem Gebiet erklärt, wo er die stärksten Leistungen für seine Partei erbracht hat, nämlich in Wahlkämpfen. Aber der FDP-Chef nimmt die Rebellion ernst.

Das „Neuland“, das Guido Westerwelle den Liberalen 1999 in einem Buch vorgestellt hat, musste er im letzten Jahr selbst betreten. Endlich Schwarz-Gelb, endlich Vizekanzler und Außenminister. Nun wird der Parteichef zum „Klotz am Bein“ ausgerechnet auf dem Gebiet erklärt, wo er die stärksten Leistungen für seine Partei erbracht hat, nämlich in Wahlkämpfen. Die Antwort aus der Parteispitze lässt erkennen, wie ernst Westerwelle diese Rebellion nimmt. Stützen oder stürzen, die Aufforderung ist nichts anderes als der Hinweis an die potenziellen Meuchler, dass der Königsmörder als Erster sterben kann. Er gilt insbesondere Rainer Brüderle.

Aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – dort wird im März gewählt – ist die maßlose Enttäuschung der FDP über ihren Vorsitzenden nun öffentlich artikuliert worden. Brüderle, eng verbunden mit dem „Klotz-am-Bein“-Kritiker aus Rheinland-Pfalz, hat sich als möglicher Nachfolger aufgestellt, aber nicht offen erklärt. Als Argument dafür, Westerwelle zu halten, wird verbreitet, man brauche ihn noch, um jemanden für die Wahlniederlagen verantwortlich zu machen – feinste Kolportage.

So ist sie, seine FDP, das weiß Westerwelle selbst am besten. Sie neigt dazu, ihre Vorsitzenden zu meucheln. Modell Gera: Da rang FDP-Chef Klaus Kinkel den Parteitagsdelegierten noch eine Vertrauensantwort ab. Aber jeder wusste, dass er bald erledigt sein würde. Modell Atlantic: In diesem Hamburger Hotel hat Westerwelle selbst vor zehn Jahren seinen Amtsvorgänger Wolfgang Gerhardt zum Rücktritt gedrängt.

Bei Westerwelle ist die notorische Undankbarkeit der FDP aus einem einfachen Grund besonders ausgeprägt. Der Absturz nach der Wahl erfolgte aus den schwindelerregenden Höhen der 14,6 Prozent der Bundestagswahl. Westerwelle wurde danach zum Gefangenen dieses Erfolgs. An ihrem Vorsitzenden konnte die FDP monatelang studieren, wie hoch der Preis für das unhaltbare Steuersenkungsversprechen war. Gerade weil die Mandatsträger, Landesfürsten, Parteitagsdelegierten ihrem Chef vor der Wahl willig in diesen Rausch gefolgt waren, liegt es in der liberalen Seelenlogik, dass er nun den Preis zahlen soll. Wer den Anführer austreibt, muss über die kollektive Blendbarkeit der Individualistenpartei nicht mehr reden. Deshalb spricht viel dafür, dass Westerwelles Zeit als FDP-Chef bald abgelaufen ist.

Es muss sich aber wirklich erst mal einer trauen. Zum Außenminister, so gut man das neben Angela Merkel und dem Verteidigungsminister sein kann, ist Westerwelle mit großer Selbstdisziplin in den letzten Wochen geworden. Wer sich zum Stürzen durchringen will, wird darüber nachdenken, dass nach Westerwelle nichts Neues zu erkennen ist, dass der eine potenzielle Nachfolger (Brüderle) zu alt, der andere (Generalsekretär Christian Lindner) zu jung ist und auf schnelle Besserung bei Wahlen oder mehr Strahlkraft in der Regierung nicht zu hoffen ist.

Die FDP, das zeigt ihre Geschichte, ist wie keine andere Partei in der Republik darin geübt, starke Schwankungen, Niederlagen, jähe Wendungen auszuhalten. Die politische Rechnung aus dem Bauch der FDP folgt diesen Erfahrungen. Reden wir doch über anderes, wenn Steuersenkungen nicht auf der Höhe der Zeit sind. Worüber? Das wird sich finden. Westerwelle kann das Wort Steuern nicht mehr in den Mund nehmen, ohne Hohngelächter auszulösen. Dann muss eben ein Neuer her, der das unerfüllbare Wahlversprechen vergessen macht.

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