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Meinung: Wettbewerb im Weitwerfen Von Antje Sirleschtov

Der Mann will regieren, zweifellos. In zwei Wochen NordrheinWestfalen, und dann ganz Deutschland.

Der Mann will regieren, zweifellos. In zwei Wochen NordrheinWestfalen, und dann ganz Deutschland. Und es sieht ja auch gar nicht so schlecht aus, für Guido Westerwelle und die FDP – zumindest im größten Bundesland tief im Westen. Auch, wenn die vielleicht sieben oder acht Prozent Wählerstimmen, die die Liberalen hier erreichen könnten, weniger eigener Kraft als der Schwäche des rot-grünen Gegners zu verdanken sind. Und was kommt dann, wie soll Deutschland nach 2006 aussehen, wenn Westerwelle, Gerhardt, Brüderle und die anderen an den Schalthebeln der Macht sitzen? Keine Veränderungen im Detail wird es geben, sagt der FDP-Vorsitzende jetzt und ruft stattdessen den großen Wurf aus. Das klingt entschlossen.

Gut so, werden die sagen, die die Trippelschrittchen der Vergangenheit für das eigentliche Problem der deutschen Gesellschaft halten. Aber zu einem Volk wie dem Deutschen gehören nicht nur die Ungeduldigen, die Starken, die sich in ihrer ökonomischen Freiheit eingeschränkt fühlen. Es gibt auch die, die sich ihr ganzes Leben lang auf ein Staatssystem eingestellt haben, an dessen Ausgestaltung die FDP in den letzten Jahrezehnten kräftig mitgearbeitet hat. Schlecht ausgebildet, an den alimentierenden Fürsorgestaat gewöhnt und ohne Kraft, sich im Zeitalter der technologischen Globalisierung flexibel umzustellen und täglich neu zu behaupten, graut es ihnen vor dem ganz großen liberalen Wurf. Zumal die FDP selbst das konsequent Umwälzende ihrer künftigen Regierungspolitik nicht einmal schlüssig erklären kann.

Natürlich wollen sie Steuersenkungen für alle und ein einfaches Abgabensystem. Eins, das allerdings Rot-Grün bereits initiiert und zum Teil schon umgesetzt hat. Und das Arbeitsrecht. Noch viel weniger Funktionärsdiktatur in der Tarifpolitik muss es geben, sagt die FDP. Aber wofür? Kaum eine Tarifverhandlung findet heute noch statt, ohne dass über Flexibilisierung und Verschlankung gesprochen wird. Selbst der Wirtschaftsboss Jürgen Thumann schüttelt verständnislos den Kopf, wenn mal wieder der Ruf nach noch weniger Kündigungsschutz erschallt. Staatsentsagung, das ist im Kern auch Hartz IV, die Abschaffung der Erbschaftsteuer ebenso. Alles nur Details, zugegeben. Und auch nicht genug. Aber es sind Reformen, die den einen Chancen eröffnen ohne die anderen gleich zu überfordern. Liberal also. Auch ohne den großen Wurf.

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