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Meinung: Wetten gegen den Buchhalter

Etat 2004: Die Minister schimpfen auf Eichel, weil der Regierung ein Sparkonzept fehlt

Von Antje Sirleschtov

Wenn es denn wahr ist, dass sich der Erfolg einer Regierung daran bemisst, ob sie es schafft, ihre politischen Ziele letztlich auch im Alltag umzusetzen, dann stehen der rot-grünen Regierung von Kanzler Schröder entscheidende drei Wochen bevor. Die Aufgaben sind benannt, spätestens mit der Agenda 2010: Abbau der Arbeitslosigkeit, Umbau der Sozialsysteme und Konsolidierung des Staatshaushaltes. Was nun bis Ende Juni geschehen muss, ist ihre Konkretisierung im Haushalt, dem entscheidenden Mittel einer Regierung, aus politischen Wünschen Realität werden zu lassen.

Drei Wochen und eine mehrtägige Klausurtagung des Kabinetts sind eine verdammt kurze Zeit. Denn schon zu Beginn haben sich die Beteiligten verhakt. Während Kassenwart Hans Eichel für 2004 apodiktisch Milliardeneinsparungen verlangt, verleumden ihn die Ressortkollegen als nervigen Fiskalisten, der das zarte Pflänzchen der Konjunktur mit überzogenen Haushaltskürzungen austrocknen will, der vom Spar-Kommissar zum Spar-Missionar wird, und den selbst das Gespenst der Deflation nicht schreckt. Jeder einzelne Minister im Kabinett strebt nach finanziellen Freiräumen zur Umsetzung seiner eigenen Politik. Ob ökologischer Umbau der Landwirtschaft, Verkehrsinvestitionen, der Aufbau Ost, die Modernisierung des Bildungssystems oder der soziale Schutz aller Rentner: Mit jedem Verhandlungstag wird klarer, dass diese Regierung noch immer kein nachvollziehbares Konzept vereint.

Dabei wäre eine solche gemeinsame Idee nicht nur nötiger, als sie es je zuvor war. Sie verspräche auch politischen Erfolg. Nötig, weil uns weder Amerika noch die europäischen Nachbarn einen raschen Wirtschaftsboom verschaffen werden. Für Aufschwung und Arbeitsplätze werden wir also selbst sorgen müssen. Doch das gelingt nur, wenn die Regierung mit belastbaren Daten bei Investoren und Konsumenten Zuversicht erzeugt. Und Erfolg versprechend, weil der monatelange Streit um Eigenheimzulagen und Krankenkassenbeiträge die Menschen klüger gemacht hat und sie mutige Reformpolitik dem zögerlichen Beharren allemal vorziehen. Auch, wenn dabei Besitzstände angegriffen werden.

Ob Eichel am Ende 15 oder nur zehn Milliarden Euro aus dem Etat 2004 herausgequetscht haben wird, ist dabei ganz und gar nebensächlich. Jetzt wie ein Buchhalter mit Brechstange und nach dem Motto „15 oder Basta“ zu Felde zu ziehen, würde die Akzeptanz der Öffentlichkeit für die Sparpolitik gleich wieder schwinden lassen. Ja schlimmer noch, sie verstellte den Weg für die nächsten Jahre, in denen weiter gespart werden muss. Bis zum Etat ohne Neuverschuldung. Denn eines ist sicher: Nur wenn der Anteil von Zinsbelastungen im gesamten Haushalt kleiner wird, werden Regierungen in Zukunft überhaupt noch Spielraum für Politik haben. Auch für Sozialpolitik. Deshalb muss Rot-Grün jetzt an die Strukturfehler der Staatsfinanzierung heran. Welche das sind, wissen wir längst. Zuschläge, Steuervergünstigungen, Ausnahmeregelungen für Berufs-, Alters- und Familiengruppen. All jene Posten, die gern als Ausdruck des Sozialstaates verschleiert werden. Und die doch in weiten Teilen nicht mehr als das Ergebnis des Kampfes einzelner Interessengruppen gegen die zu hohen Abgabenlasten sind.

In drei Wochen kann die Regierung zeigen, ob sie es mit der Umsetzung der Agenda 2010 und ihren politischen Ziele ernst gemeint hat. Wie ernst, das wird dieser Haushaltsentwurf zeigen. Vielleicht reicht es am Ende nur dazu, das Gesicht zu wahren. Vielleicht aber springt sogar ein Bonbon heraus: Die vorgezogene Steuerreform 2005.

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