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Krawalle in England: Wie bei Thatcher

Sozialproteste, Gesetzlosigkeit, Sparmaßnahmen, wachsende Arbeitslosigkeit – das sind Vokabeln, die Briten an die Zeiten Thatchers erinnern. Premier Cameron muss nun erklären, wie er die britische Gesellschaft wieder regierbar machen will.

Man muss sich vor kühnen Vergleichen hüten, aber die Sommerkrawalle 2011 dürften für Premier Camerons Amtszeit so bestimmend sein wie der Falklandkrieg oder der Bergarbeiterstreik für Margaret Thatcher und der Irakkrieg für Tony Blair. Seinen Urlaub brach Cameron vielleicht einen Tag zu spät ab. Deshalb musste er sich doppelt entschlossen als der Mann in Szene setzen, der das Heft nun in die Hand nimmt.

Sein unmittelbares Problem ist, so schnell wie möglich Recht und Ordnung wieder herzustellen. Das Vertrauen in die Welt- und Finanzstadt London wird beschädigt. In weniger als einem Jahr sollen hier Olympische Spiele stattfinden. „Robuste Polizeiarbeit“ verspricht er – was heißt, dass die Polizei ihre Samthandschuhe ablegen wird. Aber Cameron will unter allen Umständen vermeiden, als der Premier in die Geschichte einzugehen, der zum ersten Mal seit dem Krieg die Armee rufen muss, um die Sicherheit englischer Bürger zu garantieren – das wären Szenen, die an Nordirland erinnern.

Darüber hinaus ist die Anarchie aber ein politisches Problem für einen Premier, der mit dem Schlagwort „Big Society“ eine neue Ära der Gemeinsamkeit und sozialen Selbstverantwortung schaffen will und gleichzeitig ein rigoroses Sparprogramm durchsetzen muss, das alle an den Krawallen Beteiligten trifft: die Polizei mit Stellenstreichungen. Studenten, Schüler, Jugendliche überhaupt mit höheren Studiengebühren und niedrigeren Ausbildungszuschüssen – zusätzlich zur Arbeitslosigkeit.

Sozialproteste, Gesetzlosigkeit, Sparmaßnahmen, wachsende Arbeitslosigkeit – das sind Vokabeln, die Briten an die Zeiten Thatchers erinnern. Solche Wortreihen werden auch Labourabgeordnete bei der Dringlichkeitsdebatte im Unterhaus gegen Cameron richten. Ihnen und den Briten überhaupt muss der Premier nun erklären, wie er die britische Gesellschaft wieder regierbar machen will, wie die Polizei zugleich Schlagkraft und das Vertrauen der Bürger bekommen kann und welche Perspektive er den entfremdeten Randgruppen und Jugendlichen geben kann. Er muss den Spagat schaffen zwischen notwendiger Härte und konstruktiven Angeboten an diejenigen, die das Interesse an einer friedlichen Gesellschaft offenbar verloren haben.

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