zum Hauptinhalt

Meinung: Wie entstand die Welt wirklich

„Ein Riss durch die Welt“ vom 19. April Ich glaube, hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor.

„Ein Riss durch die Welt“ vom 19. April

Ich glaube, hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor. Religiöses und wissenschaftliches Denken klaffen nicht auseinander, sondern es handelt sich um zwei verschiedene Phänomene. Im Christentum, und meines Wissens auch in der Mehrzahl anderer Religionen, geht es im Grundsatz nicht um das „Fürwahrhalten“ bestimmter Glaubenssätze, sondern es geht vielmehr um die Frage, wie Menschen auf dieser Erde gut zusammenleben können, es geht um die Verantwortung gegenüber unserer Mitwelt und gegenüber den Menschen, die vor uns gelebt haben und die nach uns kommen werden. Als Christin bezeichne ich die Kraft, die hinter allem steht, als Gottheit. Sie ist da, wenn wir miteinander in Beziehung treten und zu unserer Umwelt. Die Bibel betreibt keine Naturwissenschaft, sondert predigt. Sie verkündet, dass Liebe zwischen den Menschen möglich ist und die Versöhnung mit der Natur. Sie erzählt uns von gelingendem Leben und grandios scheiterndem. Sie schildert Menschen so, wie sie sind, einerseits gütig, liebevoll und mitfühlend, andererseits egoistisch, boshaft und gewalttätig. Wir können uns gegenseitig den Himmel bereiten, aber auch die Hölle. Es geht nicht um Lohn oder Strafe, schon im Buch Hiob in der Hebräischen Bibel wird das deutlich. Naturwissenschaften und Religionen sollten sich nicht gegeneinanderstellen, sondern in einen Dialog zum Wohl aller treten.

Edith Drefs, Berlin-Spandau

Den naturwissenschaftlichen Erklärungen ist aus unserer heutigen Erkenntnis nichts entgegenzusetzen. Dennoch: Besteht nicht die Gefahr, dass wir uns insofern in unserem Denken blockieren, weil wir nichts außer der naturwissenschaftlichen Kausalität zulassen ? Der Hinweis des Herrn Lehnert, dass die Quantentheorie unsere „Alltagslogik“ aufhebt, ist doch ein gutes Beispiel für die mögliche Fehlbarkeit unseres jetzigen Naturglaubens. Dass die Menschheit allein im Hinblick auf das „Mitgefühl durch genetische Wurzeln“ ethisch funktioniert, das wage ich schon allein wegen der Menschheitsgeschichte zu bezweifeln. Arterhaltung alleine reicht offensichtlich eben nicht. Hat nicht anschaulich das 20. Jahrhundert uns gezeigt wohin die Menschheit geht, wenn Hybris und gnadenloser Egoismus obsiegen (mehr als 100 Millionen Tote, weil das Maß aller Dinge der Mensch war). Wo war hier das Mitgefühl ? Sind wir nicht zwangsläufig an unser System in jeder Form des Denkens gebunden und damit unfähig, in anderen System zu denken, die wir nicht kennen? Wir sollten vorsichtig mit absoluten Schlussfolgerungen umgehen, damit wir uns nicht blind machen.

Johannes Weber, Berlin

Niemand muss an Gott oder eine Transzendenz glauben, wenn er nicht will. Man kann auch Christ sein, wenn man sich „nur“ an dem Menschen Jesus orientiert und den Himmel den Spatzen und den Philosophen überlässt. Immerhin: Die höhere Logik von Herrn Lehnert kannten vor 3000 Jahren auch die Menschen, die in dem Buch Genesis am Anfang der Bibel sich, wie er, eine Schöpfung oder Entstehung von Materie aus dem Nichts zumindest vorstellen konnten. Seine von ihm zitierte Logik der Quantentheorie, die die Alltagslogik der „Unwissenden“ transzendiert, erfordert vom normalen Leser viel Vertrauen in eine Theorie („Glauben“), dass das auch wahr ist. Objektiv beweisen kann man das wohl nicht.

Es gibt auch andere denkbare Lösungen bzw. Deutungen, wie sie einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts, Kurt Gödel (1906–1978), formuliert und wohl auch mit seinem Freund Albert Einstein diskutiert hat: „Gott sieht sich selbst durch uns. Das Universum öffnet die Augen, und es sind unsere. Die Zeit vor der Existenz der Menschheit tritt erst in die Wirklichkeit, da Menschen sie denkt. Wir müssen da sein. ... Gott ist das einzig notwendige Wesen, weil er das einzig vollkommene ist.“ Zitiert nach Daniel Kehlmann, Theaterstück „Geister in Princeton“, zurzeit im Renaissance-Theater Berlin.

Kurt Kreibohm, Berlin-Zehlendorf

Der Aufsatz von Uwe Lehnert wirft uns in der Debatte zwischen Naturwissenschaft und Religion um Jahrhunderte zurück. Ja, es gab eine Zeit, in der die Religion für sich beanspruchte, der Schöpfungsbericht der Bibel sei eine naturwissenschaftliche Darstellung, und naturwissenschaftliche Erkenntnisse müssten theologisch „zensiert“ werden. Umgekehrt meinten manche Naturwissenschaftler, aus dem Fehlen der Größe „G“ (wie Gott) in ihren mathematischen Gleichungen die Nichtexistenz Gottes wissenschaftlich exakt ableiten zu können.

Aber diese Zeit liegt, Gott sei Dank, Jahrhunderte zurück. Inzwischen haben Naturwissenschaftler und Theologen gelernt, dass sie auf unterschiedlichen Feldern der Wirklichkeit tätig sind. Die Naturwissenschaftler befassen sich mit der Beschreibung und Erklärung beobachtbarer, wiederholbarer und messbarer Phänomene. Diese werden zueinander in kausale Beziehungen gesetzt und nach Möglichkeit auf noch grundlegendere Phänomene zurückgeführt. Die Naturwissenschaft fragt nicht nach Gott und erhält logischerweise auch keine Antworten zu Gott. In dieser freiwilligen Selbstbeschränkung offenbart sich die Größe und Weisheit der modernen Naturwissenschaft.

Die Theologie hingegen fragt nach Gott, nach dem Sinn der Schöpfung, dem Sinn der menschlichen Existenz. Sie hat verstanden, dass der Schöpfungsbericht der Bibel eine Antwort ist auf die Frage nach dem Warum? der Schöpfung, nicht eine Antwort auf die (naturwissenschaftliche) Frage nach dem Wie? der Schöpfung.

Diese Grenzziehung zwischen Naturwissenschaft und Religion hält nun schon seit vielen Generationen von Wissenschaftlern. Grenzverletzungen, wie beispielsweise von der religiösen Seite durch die Kreationisten, die die Schöpfungsgeschichte für eine naturwissenschaftliche Abhandlung halten, sind selten geworden und weisen lupenreinen Sektencharakter auf. Prägenden Einfluss entfalten sie nur noch nach innen. Evolution zu leugnen ist dumm, denn Evolution lässt sich beinahe mit bloßem Auge beobachten.

Allerdings: Zu meinen, Evolution sei die Antwort auf alle Fragen, auch auf die Frage nach dem Sinn, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Die Nichtexistenz Gottes aus naturwissenschaftlichen Beobachtungen in Verbindung mit unserem „Alltagsverstand“ ableiten zu wollen, ist eine klare Grenzverletzung. Uwe Lehnert stellt sich mit seinem Aufsatz somit auf dieselbe Stufe wie die Kreationisten, seine Grenzverletzung kommt lediglich von der anderen Seite. Zugute halten muss man dem Autor, dass er kein Naturwissenschaftler ist, sondern Informatiker. Aber der Abdruck dieser längst überholten Thesen durch den ansonsten so klugen Tagesspiegel ist dennoch verwunderlich.

Dr. Michael Garmer, Berlin-Zehlendorf

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false