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Meinung: Wie Umfragen Politik spiegeln

Wo Europäer Kriegsgefahren sehen, stimmt nachdenklich

Von Gerd Appenzeller

Das Selbstverständliche zuerst: Natürlich spiegeln die Ergebnisse einer von der Europäischen Kommission routinemäßig in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage nicht die offizielle Position der EU wieder. Niemand kommt auf den Gedanken, die EU schätze den Staat Israel als größte Gefahr für den Weltfrieden ein, direkt gefolgt von den USA. Eine entsprechende Erklärung des italienischen Außenministers war also bestenfalls gut fürs diplomatische Parkett. Damit hat es sich aber auch schon. Franco Frattini irrt, wenn er meint, die Umfrage von Eurobarometer sei auf unverantwortliche Weise entstellt worden und verzerre die Wirklichkeit. EurobarometerUmfragen gibt es seit 30 Jahren und bislang sah kaum jemand Grund, an ihrer Zuverlässigkeit zu zweifeln. Dass die Ergebnisse diesmal einen Sturm der Entrüstung ausgelöst haben, liegt auch nicht daran, dass sie ernsthaft jemand für falsch hält, sondern weil sie ein Weltbild der Europäer widerspiegeln, das Unbehagen erzeugt – und hoffentlich auch Nachdenklichkeit.

59 Prozent der (befragten) Europäer sind demnach überzeugt, dass Israel den Weltfrieden mehr gefährde als zum Beispiel Irak, Syrien, Libyen oder Nordkorea. Das war nach dem Irakkrieg. Wie groß die Sorgen bezüglich der Friedensliebe der Palästinenser sind, wurde nicht gefragt. Sie haben keinen Staat, an dem die Meinungsforscher von Eurobarometer das Gefährdungspotenzial hätten festmachen können. Das Bild ist also nicht komplett. Falsch aber ist es nicht. Die offizielle Politik der EU wird nicht nur in Jerusalem als pro-arabisch und Israel-kritisch empfunden. Internationale jüdische Organisationen, wie das American Jewish Committee, haben in Untersuchungen eine einseitige Berichterstattung europäischer Medien über den Nahostkonflikt nachzuweisen gesucht. Warum sollte sich das nicht auf die Meinungsbildung in Europa niederschlagen?

Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Durch Ariel Scharon hat die israelische Politik in der europäischen Wahrnehmung eine dramatische Radikalisierung erfahren. Auch wenn Scharons Besuch auf dem Tempelberg im September 2000 fälschlicherweise als Ursache der zweiten Intifada gesehen wird, war er doch eine provozierende Demonstration. Für das Bild Israels als einer eher nicht dem Ausgleich mit den Arabern zugeneigten Macht ist somit die Regierung in Jerusalem zumindest mit verantwortlich.

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