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Meinung: Wiedervorlage RAF

Muss der Deutsche Herbst neu bewertet werden? Politisch ja, juristisch nein

Was geschah wirklich am Gründonnerstag 1977? Dass sich vor allem die Angehörigen der Opfer diese Frage 30 Jahre nach dem „Deutschen Herbst“ immer noch stellen müssen, ist gewiss kein Ruhmesblatt für die bundesdeutsche Justiz. Es kann aber kein Grund sein, vorschnell die damaligen Prozesse neu aufzurollen, wie nun von Politikern wie etwa FDP- Chef Westerwelle gefordert wird.

Die Urteile gegen RAF-Terroristen ergingen damals sämtlich „in Tateinheit“, wegen Mittäterschaft an Morden und wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Weil die Justiz in ihren Ermittlungen und bei den Tätern selbst damals auf eine Mauer des Schweigens stieß, weil sie kaum gerichtsverwertbare Beweise ermitteln konnte und weil sie unter erheblichem öffentlichen Druck stand, entschied sie sich für diesen Weg – und langte im Strafmaß ordentlich zu: Stefan Wisniewski, der nun – im Übrigen über eine juristisch momentan noch wenig aussagekräftige Zeugenaussage – als der Buback-Mörder ins Spiel gebracht wurde, wurde wegen seiner Beteiligung am Schleyer-Mord zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Integraler Bestandteil des Haftmaßes war die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Auch gegen Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und andere ergingen nach damaligen Maßstäben – nicht nach den Erwartungen der Opfer – ungewöhnlich drakonische Urteile. Diese rechtskräftigen Urteile und die zugrunde liegenden Prozesse nun aufzurollen, würde bedeuten, heute ein anderes Rechtsverständnis bei der Beurteilung der Taten anzulegen als zum Zeitpunkt der Urteilssprüche. Dazu bedarf es mehr als erster Hinweise.

Es ist nur allzu verständlich, dass die Hinterbliebenen des Terrors Aufklärung darüber verlangen, wer genau für die Ermordung ihrer Angehörigen verantwortlich ist. Diese Forderung darf allerdings immer nur als politisch-moralischer Anspruch verstanden werden – sie kann niemals ein juristischer sein. Durcheinander geriet das im Fall Klar: Indem Michael Buback, der Sohn des am Gründonnerstag 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwaltes, neue Informationen über den Tathergang mit einer Gnadenempfehlung für Christian Klar verknüpfte, erweckte er den Eindruck, der Ex-Terrorist könne freikommen, weil seine Schuld geringfügiger sei als angenommen.

Das indes ist für den Gnadenerweis des Bundespräsidenten eine nachrangige Komponente. Entscheidend sind nach wie vor die Empathie und die Einsichtsfähigkeit des Ex-Terroristen – an beidem hatte Bundespräsident Johannes Rau Zweifel. Empathie und Einsichtsfähigkeit: Genau das sind auch die (politischen) Kategorien, auf die es jetzt, 30 Jahre nach der „bleiernen Zeit“ ankommt. Versöhnungsbereitschaft und den Dialog zwischen Opfern und Tätern kann man nicht staatlich dekretieren. Beides kann nur von Tätern angestoßen werden, die sich ihrer Verfehlungen bewusst sind – und die den Angehörigen sagen, wer für die Taten an ihren Angehörigen verantwortlich ist. Das Gnadenrecht kann dazu nur einen Anstoß geben.

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