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Ausriss aus Wikileaks - US-Dokumente über die Verlässlichkeit der FDP.

© dpa

Wikileaks und die FDP: In der Politik gibt es Wichtige und Wichtigtuer

Aufschneiden gehört in Politik und Diplomatie dazu – aber manchmal wird es peinlich. Wenn jetzt ein FDP-Abgeordneter die Abberufung des amerikanischen Botschafters fordert und Parteispitze nicht widerspricht, haben die Wichtigtuer das Zepter in der Hand.

Diplomatie sei, so wird erzählt, ein diskretes Geschäft. So wie bei den Jägern gehört aber auch bei den Diplomaten die Aufschneiderei zum Sport. Ob jemand Karriere macht, hängt im tatsächlichen und im übertragenen Sinne von den Böcken ab, die er/sie geschossen hat – oder eben nicht. Der Diplomat im Auslandseinsatz erfreut das ihn entsendende Ministerium in der Heimat durch ausgefeilte, gerne auch humorvolle Berichte über das Gastland. Griffige Formulierungen mit kleinen, giftigen Einsprengseln sind eine Garantie dafür, dass Text und Verfasser in Erinnerung bleiben. Dies wiederum ist karrierefördernd.

Das alles muss man wissen, um zu verstehen, warum manche Einordnung in den jetzt von Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Depeschen so unfassbar platt und geradezu auf Stammtischniveau ist. Der eine kann damit besser umgehen, der andere schlechter. Wladimir Putin wird sich durch den „Alpha-Rüden“ geschmeichelt fühlen. Guido Westerwelle scheint durch Charakterisierungen wie „eitel“, „inkompetent“ und „aggressiv“ hingegen tief getroffen zu sein. Anders kann man die geradezu selbstmörderische Unruhe in der FDP nicht verstehen. So undiplomatisch hatte das auch noch in keiner deutschen Zeitung gestanden. Aber, Hand aufs Herz: War nicht jeder von uns schon mal – eitel, inkompetent, aggressiv?

Gerade deshalb muss man den Freien Demokraten vorwerfen, dass sie es wieder einmal an Haltung fehlen lassen. Das Peinliche an den Indiskretionen des „jungen, aufstrebenden Parteigängers“ Helmut Metzner in der Berliner US-Botschaft während der Koalitionsverhandlungen war weniger die unterwürfige Rapportierung von Gesprächsinhalten, sondern der Versuch, Wolfgang Schäuble als neurotischen, zornigen alten Mann hinzustellen. Und da bleiben eben auch Zweifel, ob Guido Westerwelle wirklich keine Ahnung hatte, was der Mann nach den Koalitionsgesprächen tat. Metzner hat offenbar, darin Westerwelle ähnlich, nicht begriffen, dass es den Amerikanern bei den letzten in Deutschland stationierten taktischen Atomwaffen nicht darum geht, die Bundesrepublik in ein Abenteuer hineinzuziehen. Hier handelt es sich einzig um ein Faustpfand gegenüber einer vielfach höheren russischen Rüstung.

Wenn der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Michael Goldmann nun die Abberufung des amerikanischen Botschafters fordert, ohne dass dem die FDP-Spitze ausdrücklich und schnell widerspricht, haben endgültig die Wichtigtuer die Herrschaft über die Wichtigen errungen. Natürlich wäre es von Philip Murphy klüger gewesen, sein Ungeschick zuzugeben. Die USA sind keine Besatzungsmacht mehr, alleine die Höflichkeit erfordert immer noch eine – wenn auch späte – Geste des Bedauerns durch Murphy. Aber in ihm hat die amerikanische Regierung endlich wieder einen kompetenten Repräsentanten in Berlin, zu dem die deutsche Politik die Kontakte auf der richtigen Ebene halten sollte. Diese Ebene aber findet sich nicht in der Parteizentrale der FDP, sondern im Auswärtigen Amt.

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