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Meinung: Willkommen in Eurabia

Der Mord an van Gogh, die Anschläge in London: Europa hat ein Einwandererproblem

Mohammed Bouyeri hat nach dem Mord an Theo van Gogh weit mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, als einem gewöhnlichen Kriminellen zusteht. Die meisten Europäer hatten offenbar verstanden, dass es sich hier nicht nur um einen durchgedrehten Muslim handelt, der zufällig in Europa geboren wurde. Bouyeri steht stellvertretend für ein Problem, dem sich Europa erst beginnt zu stellen: dass muslimische Einwandererkinder der zweiten und dritten Generation anfälliger sind als ihre Eltern für extremistisches Gedankengut.

Die scheinbar gut integrierten Attentäter von London haben das erneut bestätigt: Der islamische Terrorismus in Europa ist auch ein europäischer Terrorismus. Wie eine Studie des Nixon-Centers in Washington zeigt, besaßen 41 Prozent der muslimischen Terroristen, die zwischen 1993 und 2004 in Europa und Nordamerika angeklagt, verurteilt oder getötet wurden, eine westliche Staatsangehörigkeit. Weitere 23 Prozent hatten einen Asylantrag gestellt, um im Westen bleiben zu dürfen.

15 bis 20 Millionen Muslime leben in der EU. Sie unter Generalverdacht zu stellen wäre genauso falsch wie zu ignorieren, dass Europa ein Einwandererproblem hat. Mehrere Faktoren kommen zusammen: die üblichen Fremdheitsgefühle von Migranten, die eine Kultur verlassen haben, ohne in der neuen richtig anzukommen. Die Ghettobildung von Einwanderer-Communities, die eine Integration erschwert. Aber offenbar auch eine geringe Durchlässigkeit europäischer Gesellschaften, was den Aufstieg von Einwandererkindern schwerer macht als etwa in den USA, wo Muslime wirtschaftlich sogar erfolgreicher sind als der Rest der Bevölkerung.

Es ist nicht unüblich, dass sich Kinder von Einwanderern wieder der eigenen Kultur zuwenden. Was jedoch den explosiven europäischen Mix ausmacht, ist, dass Europa radikalen Islamisten in den 80ern und 90ern als Ruhe- und Fluchtraum diente, sie hier ungestörter missionieren konnten als im Nahen und Mittleren Osten. Diese Ideologen treffen hier auf kulturell desorientierte Jugendliche, die nach Identitätsangeboten suchen – und nach Vaterfiguren.

Junge Muslime, die gegen ihr traditionelles Elternhaus rebellieren, wählen heute meist zwei ganz unterschiedliche Wege: Entweder sie brechen auf in die Mehrheitsgesellschaft. Oder sie werden angezogen von islamistischen Ideologen, die ihnen einreden, dass ihre Religion etwas Besseres, Reineres und Überlegenes sei. Das ist der Weg in die gewollte Abgrenzung, die manchen jungen Muslim dann auch zum Militanten werden lässt.

Die europäischen Staaten haben unterschiedlichste Integrationsansätze probiert. Ob das französische Konzept der forcierten Assimilation, das deutsche oder holländische der wohlmeinenden Vernachlässigung oder das britische Laisser- faire: Kein EU-Land hat die Integration muslimischer Einwanderer auch nur ansatzweise bewältigt. Auf der anderen Seite scheinen manche europäische Muslime für das der liberalen Demokratie innewohnende Angebot zum sozialen Aufstieg nicht ansprechbar zu sein. Das Beunruhigendste an Leuten wie dem Londoner Attentäter Shehzad Tanweer und an Bouyeri ist, dass sie eine relativ gute Ausbildung genossen hatten und die Chancen, die sich ihnen damit boten, dennoch nicht ergreifen wollten.

Wenn der Mord an Theo van Gogh und die Anschläge von London wenigstens zum Eingeständnis führen würden, dass Europa ein ernstes Problem hat – wir wären schon einen Schritt weiter.

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