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Meinung: Wir imperialistischen Benzinsäufer

Wer als Amerikaner nach Deutschland kommt, muss die USA samt Bush verteidigen /Von Joellen Perry

Als ich im August meinen zweimonatigen Aufenthalt in Berlin begann, war ich auf ein wenig AntiAmerikanismus vorbereitet. Es war eine empfindliche Zeit für einen Yankee in Deutschland: Die US-Truppen im Irak bekamen erste Probleme; die Regierung nahm ihre Behauptungen über Massenvernichtungswaffen ein wenig zurück und Präsident Bush begann, kaum verhüllt, seine transatlantischen Nachbarn, die er zuvor noch missachtet hatte, um Geld anzupumpen. Nach all dem und einem beschämenden Stromausfall war ich der Ansicht, man könne den Deutschen durchaus vergeben, sollten sie gegenüber der Supermacht ein wenig Selbstgefälligkeit an den Tag legen.

Deshalb war ich so angenehm überrascht, in Berlin mit offenen Armen empfangen zu werden. Kollegen kümmerten sich darum, dass ich nicht alleine essen musste, neue deutsche Bekanntschaften erklärten, wie dankbar sie für die amerikanische Unterstützung nach dem Zweiten Weltkrieg sind und revanchierten sich, indem sie mir beibrachten, dass man sich beim Zuprosten in die Augen blickt. Obwohl mein stockendes Deutsch meine amerikanische Herkunft so verrät, als hätte ich die Stars and Stripes auf die Nase tätowiert, lächelten mir Verkäufer nett zu, wenn ich mit der gutturalen Eleganz des Wortes „Brötchen“ kämpfte. Es war also eine zweimonatige Erfahrung von Wärme und Großzügigkeit. Danke!

Und doch kann ich nicht leugnen, dass ein alles überwölbender Anti-Amerikanismus in der deutschen Luft liegt. Es ist diese Abfolge individueller Freundlichkeiten, die seine konstante Anwesenheit noch stärker hervorhob. Ich bin nicht beleidigt über die Graffiti „Stirb CBS“ oder „Wir wollen keine Weltpolizei“ – dabei geht es um Provokation und nichts provoziert mehr als ein ungebrochenes Stereotyp. Was mich eher verletzt, ist, dass diese Karikaturen – die Amerikaner als fette, dumme, imperialistische Benzinsäufer – nicht nur als Wandmalerei durchgehen, sondern auch bei ernsthaften Diskussionen anzutreffen sind. Und das, obwohl die McDonald’s-Filiale in München eine der weltweit populärsten der Kette ist. Amerika runterzumachen scheint so natürlich wie ein Kommentar zum Wetter.

Eine Journalistin etwa nahm an, dass ich ja belegen könnte, wie der Druck von Wirtschaft und Regierung meine Berichterstattung über den Irakkrieg beeinflusste (was ich nicht konnte, weil es nicht stimmte), und nach dem Stromausfall in New York krähte der „Spiegel“, „Energiesparen ist ein Fremdwort in den USA. Wenn dann erst einmal alles wieder im Lot ist, kann ja Amerika zu seiner Selbstvergessenheit zurückkehren“.

Mit Kritik hatte ich gerechnet. Was ich nicht erwartet hatte – besonders von einer Nation, die seit 50 Jahren daran arbeitet, negative Stereotype über sich selbst zu widerlegen – war dieser Haufen vorgefertigter Meinungen, die nur nach bestätigenden Beweisen suchten. Ich glaube, die USA haben große Probleme, die wir oft in falscher und destruktiver Weise zu lösen versuchen. Aber mehr als einmal musste ich hier in Berlin die feine Unterscheidung gegen breit geführte Attacken verteidigen – dass es im Irakkrieg nicht nur um Öl ging – und fand mich so in der seltsamen Position wieder, die USA als Ganzes zu verteidigen. Ich wurde zum Apologeten für eine Politik, die ich selber gar nicht komplett unterstütze. Manche der Behauptungen waren genauso unfair – und genauso destruktiv – als wenn ich annähme, alle Deutschen wären Nazis, und die jüngsten Neonazi-Vorfälle in München als Beleg dafür nähme.

Natürlich, die USA sind auch keine Meister der Nuancen – „French Fries“ in „Freedom Fries“ umzubenennen, war kaum ein Kennzeichen einer komplexen Weltsicht. Meine Kritik an Deutschland ist nicht schwerwiegender als die an meinem eigenen Land. Und ich glaube auch daran, dass beide Nationen wieder zur Nuancierung zurückfinden. Auch deswegen, weil eine der bleibenden Erinnerungen an meine Zeit in Deutschland einem netten Paar gilt, das die verlorene Amerikanerin freundlich anlächelte und mir half, den Namen „Sredzkistraße“ auszusprechen – und mir die richtige Richtung zeigte.

Die Autorin arbeitet bei „US News & World Report“ und ist als Burns-Stipendiatin Gast der Tagesspiegel-Redaktion. Foto: Mike Wolff

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