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Meinung: „Wir lassen die Rückschläge hinter uns“

Sechs Tage hatte er sich nicht öffentlich blicken lassen. Hatte sich zurückgezogen auf die Ranch in Texas.

Sechs Tage hatte er sich nicht öffentlich blicken lassen. Hatte sich zurückgezogen auf die Ranch in Texas. Schwiegermutter Jenna Welch soll der einzige Hausgast gewesen sein. Nicht ein Mal hat er das Gasthaus der 700-Seelen-Gemeinde besucht, um sich wie sonst üblich mit einem Cheeseburger im Kreise der Farmer filmen zu lassen – als Beleg, dass der Präsident das Gespür für die einfachen Leute nicht verloren hat. Die Formel, was George W. Bush in seiner Freizeit in Crawford angeblich tut, kann das Pressecorps im Schlaf aufsagen: „mountain biking and brush-cleaning“, Fahrradfahren und das Gehölz reinigen. Diesmal fügte der Sprecher mit nachdenklicher Miene hinzu: „Er reflektiert, wie wir alle das in diesen Tagen tun: Er blickt zurück aufs alte Jahr und nach vorn …“

2005 war ein Tiefpunkt für Bush. Im Jahr nach der triumphalen Wiederwahl sanken die Zustimmungswerte auf 35 Prozent. Die Zahl der Gefallenen im Irak wuchs, die Anschläge ließen nicht nach; im Sommer stiegen die Benzinpreise, im August beherrschte die Soldatenmutter Cindy Sheehan die Schlagzeilen; die Hurrikans brachten die Regierung vollends aus dem Tritt, sie brauchte Tage, um angemessen zu reagieren; Bushs Richterkandidatin Harriet Miers scheiterte am Widerstand aus den eigenen Reihen. Und seine Strategie im Kampf gegen Terror traf auf Widerspruch. Der Kongress, der ihm nach den Anschlägen 2001 umfassende Vollmachten eingeräumt hatte, und die Gerichte holten sich Kontrollrechte allmählich zurück und zeigten dem Präsidenten Grenzen auf. Die Niederlagen bei den Anti-Folter-Gesetzen und beim „Patriot Act“ schmerzen.

Bush machte aber auch eine überraschende Erfahrung: Fehler zuzugeben und auf Kritiker zuzugehen, muss keine Schwäche sein. Zu der neuen Strategie hatten ihm jüngere Mitarbeiter im Weißen Haus geraten, gegen die skeptische ältere Garde um Karl Rove. Seit Bush die Probleme im Irak anspricht, sind seine Umfragewerte gestiegen, von 39 Prozent Ende November auf 47 Ende Dezember. In der Radioansprache zu Neujahr war die Formel nicht mehr „Kurs halten!“, sondern: „Wir sind dabei, die Rückschläge zu überwinden.“

Vor der Rückkehr nach Washington hat Bush an Neujahr verwundete Soldaten in San Antonio besucht. Mit drei Reden will er jetzt den Ton für 2006 setzen: zu Irak, zur Wirtschaft und zur Lage der Nation – um den Fehlstart in die zweite Amtszeit hinter sich zu lassen.

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